Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Freund hat es mir gemailt – aus Amerika. Das Foto einer Heiligenfigur auf einer Restaurant-Theke. Eine Frau mit Schürze und Kochlöffel. Schon in drei Gaststätten habe er solche Figuren gesehen. Ich als Pfarrerin sollte ihm mal sagen, was das für eine Frau sei und was die auf den Theken zu suchen habe.
Ich musste eine Weile suchen, bis ich der Heiligen auf die Spur gekommen bin. Aber dann habe ich sie gefunden: Die Frau mit Schürze und Löffel ist Martha, eine Freundin von Jesus.

In den Jesusgeschichten wird an mehreren Stellen von ihr erzählt. Sie wohnt mit ihren Geschwistern Maria und Lazarus zusammen. Jesus kehrt mehrfach bei ihnen ein. Wahrscheinlich hat Martha in den ersten christlichen Gemeinden eine führende Rolle gespielt, getreu ihrem Namen, der „Herrin, Gebieterin“ bedeutet. Aber davon ist nichts mehr bekannt. Schließlich hat Jesus Maria gelobt und nicht Martha. Maria hat nämlich zu seinen Füßen gesessen und seinen Worten gelauscht, während Martha sich um das Essen gekümmert hat.

Seitdem gilt Martha als Dienstmagd und Hausfrau, ihre Schwester Maria als religiös interessierte Frau. Deshalb ist Martha die Schutzheilige von Dienstbotinnen und Kellnerinnen. Deshalb sind Arbeiterinnen-Wohnhäuser und Pflegeheime nach ihr benannt worden, aber kaum Kirchen. Dabei überliefert die Bibel von Martha ein entschiedenes Bekenntnis zu Jesus Christus: »Ja, Herr, ich glaube fest: Du bist der Christus, der Sohn Gottes, der in diese Welt kommen soll!«  (Joh 11,27). Von Maria wird so etwas nicht berichtet, auch von keiner anderen Frau.

Später sind viele Legenden von Martha entstanden. Mit ihrer Schwester soll sie nach Frankreich gezogen und dort ein Kloster für Frauen gegründet haben. Dort soll sie dann Menschen zu Hilfe gekommen sein, deren Dorf von einem Drachen terrorisiert wurde. Martha erweist sich auch hier als starke Frau, erzählt die Legende. Sie besiegt den Drachen ohne Gewalt. Sie tötet ihn nicht, sondern bändigt seine bösen Kräfte – ganz allein mit ihrer Glaubenskraft.

Schade, dass heute nicht diese Stärke Marthas in Erinnerung ist, sondern nur ihr liebevolles Dienen. Dabei macht doch beides zusammen erst den Glauben aus, den Jesus uns vorgelebt hat.
Auf den amerikanischen Theken soll die Martha-Figur die Gäste übrigens zu einem großzügigen Trinkgeld für die Bedienungen animieren. Aber vielleicht erkennt der eine oder andere in ihr ja auch die Frau, die so entschlossen und mutig geglaubt hat. Verdient hätte Martha es.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23956
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