Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Welches ist das richtige Bild von Jesus? Jede Zeit hat andere Bilder von ihm gezeichnet und gemalt. Manche Jesusbilder finde ich ansprec­hend, andere sind mir fremd. Aber welches ist das richtige Bild?Ein Theologieprofessor hat dazu eine Geschichte erzählt, die will ich Ihnen weitergeben:[1]

Als immer mehr Jesusbilder auf der Erde erschienen, hat der Himmel eine Kommission eingesetzt und Engel auf die Erde geschickt, um unter den vielen Bildern das richtige Jesusbild zu finden. Aber die Engel kehrten erfolglos zurück. Sie konnten nur berichten: Jedes Bild von Jesus erzählt etwas Anderes. Jedes erkennt ein bisschen von ihm. Aber keines sieht ihn ganz.
Die Engel überlegen hin und her: Wie können sie es anstellen, dass die Menschen zu einem Jesusbild – zum richtigen Jesusbild kommen? Aber keiner von ihnen hat eine zündende Idee.

Nach Rücksprache mit Jesus legen die Engel schließlich ihren Abschlussbericht vor und halten fest: Solange es auf Erden menschlich zugeht, wird es immer verschiedene Jesusbilder geben. Und diese Vielfalt will der Himmel nicht unterdrücken. Denn gerade die Vielfalt zeigt, wie viel Jesus den Menschen bedeutet.

Allerdings gibt es dann doch eine Einschränkung: erzählt die Geschichte:
Dem wirklichen Bild von Jesus widersprechen dürfen die verschiedenen Jesusbilder nicht. Sie sollen zeigen, was die Bibel von Jesus sagt: Jesus hat gelebt, hat Menschen in die Nachfolge gerufen, hat von Gottes Liebe erzählt, hat gelitten und ist seinen Jüngern nach seinem Tode als Lebendiger erschienen.
Aber wenn sich die Jesusbilder in diesem Spielraum bewegen, dann kann man alle Bilder von Jesus akzeptieren – auch wenn sie einseitig sind, auch wenn sie zeitge­bun­den sind, auch wenn man ihnen anmerkt, dass sie immer nur eine bestimmte Sichtweise wiedergeben.

Ein Bild zeigt vielleicht Jesus den Kinderfreund. Eines zeigt ihn als Arzt und Helfer. Eines zeigt den Mann, der auch mit Frauen, der auch mit Ausgegrenzten spricht: für die damalige Zeit war das unerhört. Viele Bilder zeigen den leidenden und sterbenden Jesus am Kreuz. Und wenn ein schwar­zer Künstler Jesus mit schwarzer Hautfarbe malt, dann sagt er damit: Jesus ist auch einer von uns!
So verschieden sie sind: alle Jesusbilder dienen dazu, dass die Menschen Jesus näher kommen – und dadurch Gott. Ich finde: dem ist nichts hinzuzufügen.


 

[1] Stark gekürzt und leicht verändert aus dem Vortrag „Über die Menschlichkeit der Jesusforschung“ von Gerd Theißen beim Katholikentag 2000, abzurufen unter: http://www.muenster.de/~angergun/theissen-jesusforschung.pdf.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23955
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