Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

Zu einer Beerdigung oder ins Krankenhaus geht niemand gern. Ein Besuch im Altersheim oder bei Trauernden, das ist eine anstrengende Sache. Viele drücken sich da, so gut es geht. Dem Leiden zu begegnen macht einem Angst. Das verstehe ich. Dabei gibt es viele Menschen, die leiden. Ich kenne sie aus meiner Gemeinde oder meinem Bekanntenkreis. Sie stehen machtlos vor dem Leiden und haben auf ihre Frage nach dem „Warum?“ keine Antwort. Genauso geht es mir manchmal auch.

Wenn ich auf dem Weg bin zu ihnen, denke ich manchmal an Jesus. Der musste auch leiden am Ende seines Lebens. Die Bibel erzählt zum Beispiel, wie er vor seiner Verhaftung im Garten Gethsemane voll Angst kniet und seinen Vater bittet: „Erspare es mir, diesen Becher auszutrinken!“ (Mt 26,39). Und später ruft er, schon am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk 15,34).

Wenn ich selbst eine Leidenszeit durchleben muss, dann werden diese Worte zu meinen Worten. Ich kann sie dann aus tiefstem Herzen nachsprechen. Wenn die Situation aussichtslos erscheint und ich an meine Grenzen stoße, dann frage auch ich mich manchmal, wo Gott ist.

Ich bin schon Menschen begegnet, die in solchen Situationen das Gefühl hatten, dass sie unter der Last zusammenbrechen müssen. Voller Verzweiflung haben sie zu Gott geklagt, mit ihm gehadert und gerungen. Viele hatten anfangs das Gefühl: An einen Gott, der mir so wehtut, kann ich nicht glauben. Wenn er es zulässt, dass mir das Leben so weh tut, kann ich ihm nicht mehr vertrauen. Aber merkwürdig: Die wenigsten haben dann tatsächlich mit Gott gebrochen. Wie das kommt?

Ich glaube: gerade weil sie es sich erlaubt haben, Gott anzuklagen. Denn ihr Klagen und Hadern hat sie nicht weggebracht von Gott. Im Gegenteil: es hat sie gehalten. Sie haben dadurch auf einmal doch Gott spüren können – mitten im Leiden, mitten in der Verzweiflung.

Ich denke, so ist es auch Jesus im Garten Gethsemane gegangen und später am Kreuz. Und vielleicht hat er sich an das erinnert, was er selbst seinen Jüngern zum Abschied mit auf den Weg gegeben hat: „Ich lebe und ihr werdet auch leben“ (Joh 14,19).

Diese Worte sind für mich keine billige Vertröstung – sie sind wirklicher Trost. Denn sie bedeuten: Gott ist stärker als das Leiden. Er wird mich auch durch das Leiden führen, durch die Trauer und irgendwann auch durch den Tod. Er lässt mich nicht los. Jesus hat das erlebt. Und mich daran zu erinnern, tut mir gut – nicht nur in schweren Zeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23953
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