SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Das letzte Gebet des Tages heißt in den Klöstern Komplet. Mit ihr wird der Tag sozusagen: komplett. Abgeschlossen eben, so gut es geht. Die Komplet ist aus wenigen charakteristischen Elementen aufgebaut: Ein Schuldbekenntnis gehört dazu. Dann die Bitte, dass Gott meine Ängste lindert und ich neues Vertrauen finde. Und weil der Schlaf des Bruders Tod ist, gehört auch die Erinnerung dazu, dass der Mensch sterblich ist. Schließlich ein Segen zur Nacht. Für mich ist dieses Gebet das wertvollste des Tages. Es tut mir gut, mit der Komplet mein Leben in Gottes Hand zu legen. Das, was war. Das, was kommt. Es beruhigt mich, wenn ich darauf möglichst mit einem versöhnten Blick schauen kann. Weil es umgekehrt eben nicht gut tut, wenn ich immer noch ärgerlich bin, oder wenn ich mich verletzt fühle. Es nützt alles nichts. Ich muss es jetzt loslassen. Und für mich ist es bei Gott gut aufgehoben, besser jedenfalls als in meinem unruhigen Herzen.

Ich weiß: Mein Leben ist noch nicht komplett. Aber der Tag heute, der ist es, fix und fertig. Ich kann jetzt nichts mehr ändern und für den Moment, für die nächsten Stunden brauche ich das auch nicht. Was ich falsch gemacht habe, wo ich eingebildet oder nachlässig war, wenn ich einem anderen weh getan habe. Das bereue ich, ja. Ich will es wieder gut machen. Und: Ich lasse es los. Ich bitte Gott um Vergebung und dann, morgen, die anderen um Geduld mit mir. Dann bitte ich Gott um Mut, es in meinem schwachen Leib und in meinem oft wirren Geist auszuhalten; mich nicht auffressen zu lassen von den Sorgen, die ich mir mache, und von den Zweifeln, die an mir nagen: Schaffe ich, was von mir verlangt wird? Oder werden die anderen mich auslachen? Die Angst hat eine große Macht. Es gibt für mich fast nichts Schlimmeres. Aber ich will mich ihr nicht hingeben, sondern darauf bauen, dass Gott immer größer ist. Dabei denke ich auch an den Tod. Daran, dass ich einmal nicht mehr aufwachen werde. Auch das macht mir Angst. Also versuche ich, den Tod so normal wie nur möglich zu nehmen. Ja, klar, ich bin nicht unsterblich. Ich weiß nicht wann, aber irgendwann ist es soweit. Und dann sage ich mir, dass es gut so ist, und gut sein wird an meinem Ende, bei Gott. Den Abschluss der Komplet bildet der Wunsch, gesegnet zu sein. Von Gott ein gutes Wort zu hören, das eine Wort, das allen Trost enthält, und das alles komplett macht.

Auf diese Weise beten die Frauen und Männer in den Klöstern seit hunderten von Jahren. Und so bete ich auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23950
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