SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Über zweihundert Mal kommt das Wort Freude in der Bibel vor. Ich vermute daher, dass es zwischen Glauben und Freude eine Beziehung gibt. In der Tat finde ich viele Gemeinsamkeiten. Sowohl Glauben als auch Freude kann man nicht erzwingen, beides ist Geschenk. Mir scheint, sowohl der Glaube als auch die Freude entspringen im Herzen, erfüllen dann aber schnell den ganzen Menschen, sie berühren auch den Verstand und lassen sich regelrecht leiblich erspüren.
Beide Empfindungen sind zudem altersresistent, auch ganz alte Menschen können sich noch freuen und finden Halt in ihrem Glauben, wenn man Glauben mit Vertrauen gleichsetzt gilt das auch für Säuglinge, die ihren Eltern vertrauen und sich von ganzem Herzen freuen können. Das weiß jeder, der sich schon einmal von dem strahlenden, zahnlosen Lachen eines solchen kleinen Wesens hat anrühren lassen. Was zu der weiteren Beobachtung führt, dass sowohl Freude als auch Glauben geteilt werden wollen und geteilt nicht weniger, sondern mehr werden. Geteilte Freude ist doppelte Freude, weiß das Sprichwort, und Glauben funktioniert sowieso nie allein, sondern ereignet sich immer in Beziehung.

Worüber man sich freut und wie man glaubt, das verändert sich allerdings mit den Jahren. Als Teenager konnte ich mich für Spaziergänge nun wirklich nicht begeistern, auch die Natur ließ mich ziemlich kalt. Heute erfreue ich mich an den Frühlingsblumen, die in meinem Garten sprießen und an dem frischen Grün der Blätter, die in der Morgensonne glitzern, wenn ich meine Joggingrunde durch den Wald drehe. Auf der anderen Seite bin ich meiner Schwester von Herzen dankbar, dass sie einmal mit meinem Sohn zu Rock am Ring gefahren ist. Meine Schwester hat mit meinem Sohn drei Tage im Regen gezeltet und sich lautstark beschallen lassen. Früher hätte mir das auch Spaß gemacht, heute jedoch eher weniger, nicht nur, weil ich seit Jahrzehnten nicht mehr gerne zelte. Von meinem Kinderglauben habe ich mir dagegen noch einige Facetten bewahrt, obwohl er sich insgesamt zu einem erwachsenen Glauben entwickelt hat.

Sowohl Glauben als auch Freude haben übrigens dunkle Geschwister. Beim Glauben ist es der Fanatismus, bei der Freude die Schadenfreude. Bei Fanatismus finde ich kaum Schnittmengen zur Freude, im Gegenteil ist er freudlos und macht mich und viele Menschen traurig. Was die Schadenfreude betrifft: Angeblich ist sie ja die beste Freude. Das glaube ich nicht. Langfristig macht Freude viel mehr Spaß. Und erhellt jeden Tag. Hoffentlich auch heute!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23911
weiterlesen...