Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vor dem Kindergarten patroulliert ein Polizeibeamter mit Maschinenpistole. Zwei Kollegen bewachen den Eingang einer Schule. Die Besucher des Gemeindezentrums müssen durch eine Sicherheitsschleuse. Und um das Gotteshaus fährt in regelmäßigen Abständen ein Streifenwagen.

Sind das Bilder aus einem Bürgerkriegsland? Weit gefehlt. Es sind Alltagsszenen aus deutschen Großstädten. Überall, wo es jüdische Einrichtungen gibt, ist das so, in Frankfurt, München, Hamburg, Berlin. Jüdische Kindergärten, Schulen und Synagogen müssen rund um die Uhr geschützt werden. Und das mehr als 70 Jahre nach der Shoa, dem Völkermord an den europäischen Juden.

Noch immer können jüdische Bürger in Deutschland kein normales, unbeschwertes Leben führen. Das ist bedrückend und beschämend zugleich. 

Allein in Berlin werden jährlich Jahr fast 200 antisemitische Straftaten verübt. Und es bleibt nicht bei Hass-Mails, Hakenkreuzschmierereien und Friedhofsschändungen. Männer und Jugendliche, die aufgrund ihrer Kopfbedeckung, der Kippa, als Juden erkennbar sind, werden angespuckt und verprügelt. Auf anti-israelischen Demonstrationen skandiert der Mob „Juden, ab ins Gas!“ 

Längst sind es nicht mehr nur Neo-Nazis, die zu Hass und Gewalt aufrufen. Stark angestiegen ist die Zahl muslimischer Täter, vor allem unter jungen Leuten. Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, warnt vor einer weiteren Radikalisierung. Viele Flüchtlinge kommen aus arabischen Ländern, in denen der Antisemitismus Normalität ist. Deshalb verlangt auch Schuster schärfere Kontrollen und eine Obergrenze für die Zuwanderung. Und er ruft die Moscheegemeinden dazu auf, Judenfeindschaft konkret zu bekämpfen. Etwa durch die Mitarbeit in staatlichen und kirchlichen Jugendprojekten. Hier treffen sich Juden, Muslime und Christen, lernen einander kennen und schätzen. 

Vielleicht wird es dann auch irgendwann möglich sein, dass jüdische Mitbürger in Deutschland ein normales Leben führen können. Ganz ohne Polizei vor Synagogen, Schulen und Kindergärten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23836
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