SWR4 Abendgedanken

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Wie geht Versöhnung? Erika und Anna haben Streit gehabt. Die zwei Kolleginnen haben nur noch das Nötigste miteinander geredet. Wochenlang ist das so gegangen „Meinen Sie nicht, Sie hätten nun lange genug Krach gehabt miteinander?“ hat  sie eines Tages die Chefin gefragt. „Der ganze Betrieb leidet darunter. Wir alle wünschen uns, dass Sie sich wieder vertragen.“

Aber wie geht Versöhnung? Das lässt sich nicht einfach so anordnen. Denn Anna und Erika hatten in ihrem Streit Sachen zueinander gesagt, die die andere verletzt haben. „Die hat angefangen. Die muss sich zuerst entschuldigen und muss zugeben, dass sie sich geirrt hat“. So hat jede von ihnen gedacht. Erst einmal hat sich nichts bewegt.

Ich glaube, so geht es überall da, wo zwei Parteien im Streit sind miteinander. Versöhnung ist keine einfache Angelegenheit. Im Streit verletzt man sich leicht gegenseitig. Und das kann man dann nicht einfach so beiseiteschieben. Erst einmal müssen auch die Verletzungen heilen können.

„Heilende Erinnerung“ nennen es deshalb die katholische Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland, wie sie ihr Miteinander in Zukunft gestalten wollen. 500 Jahre Streit und Trennung lassen sich nicht einfach so kleinreden. Familien hat es zerrissen, wenn die Schwiegertochter die falsche Konfession hatte oder der Schwiegersohn. Gerade die Älteren wissen noch, wie das war. Und manche sind bis heute verletzt. Aber ich meine, wenn beide Seiten die Verletzungen auf der anderen Seite erkennen und ihre Schuld eingestehen können, dann kann das Verstehen wachsen. Der Blick zurück kann eine Klärung für die Gegenwart bringen. In Zukunft können sie dann besser miteinander an den Zielen arbeiten, die beide Kirchen und eigentlich alle Christen haben: Die frohe Botschaft von Jesus Christus zu den Menschen zu bringen.

Anna und Erika haben das miteinander hingekriegt. Jede konnte einräumen, dass sie mit schuld war an dem Streit. Und jede hat verstanden, dass sie die Kollegin auch verletzt hat. Ich finde es prima, wie die beiden das geschafft haben. Und ich wünsche es mir für unsere Kirchen, dass ihnen das genauso gelingt: sich miteinander zu erinnern, damit Verletzungen heilen können - für ein gutes Miteinander in Zukunft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23813
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