Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Macht die Tür zu!“ Meine Kinder gehen grade aus dem Zimmer und wollen etwas holen. Und ich rufe ihnen nach: „Macht die Tür zu!“
Wir leben in einem alten Haus. Der Flur ist immer kalt. Da muss man die Tür zu machen, sondern wird das Zimmer nie warm. Beim zweiten Mal sage ich dann nur noch: „Tür zu!“ Und wenn ich es dreimal hintereinander sagen muss, dann nur noch: „Tüüür!“ Manchmal ist es zum Verzweifeln.

Jesus sagt in der Bibel, dass man 70mal sieben Mal verzeihen und vergeben soll (Mt 18,22). Ich muss also mindestens 490mal am Tag verzeihen, dass meine Kinder die Tür nicht zu machen. Praktisch also immer.

Die Kinder sehen einfach nicht ein, warum sie das machen sollen. Und ich muss gesehen: Ich war früher genauso.
Immer wenn ich zu meinen Kindern sage, dass sie die Tür zu machen sollen, sehe ich, wie mein Vater grinst. Er lacht in sich hinein. Denn er hat das früher zu mir gesagt.
Kinder denken aber einfach nicht daran. Sie haben ein anderes Wärmeempfinden und sie müssen auch nicht die Rechnung bezahlen. Das weiß ich und höre trotzdem nicht auf.

Gott übrigens auch nicht. Er hört auch nicht auf, uns zu sagen, was gut für uns ist. Und er rechnet auch damit, dass wir es eben nicht tun. Weil wir gedankenlos sind.
Meine Kinder rennen durch die Tür, weil sie etwas vergessen haben. Sie wollen ihrem Opa ein neues Spiel zeigen. Das ist ihnen wichtig. Dem Opa weniger. Dass die Tür dabei offenbleibt – das ist doch nicht wichtig. Dass die Heizung läuft – wer merkt das schon?

Entscheidend ist die Liebe, die hier im Spiel ist. Die Liebe zwischen meinen Kindern und ihrem Opa. Genauso ist es mit der Liebe Gottes zu uns.
Ich glaube, deshalb gibt Gott uns auch nicht auf. Selbst wenn wir das gar nicht merken.Und ob dabei die Tür offenbleibt? Was soll’s? Es wird ja nur mir kalt.
Ich stehe auf und mache die Tür selbst zu. Zum zwölften Mal heute. Da habe ich noch ein paar Mal vor mir.

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