SWR4 Abendgedanken

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Sehnsucht – hin und wieder habe ich so ein Gefühl der Sehnsucht. Doch dieses Gefühl kann ich manchmal gar nicht richtig beschreiben. Ich spüre, dass ich etwas vermisse, dass mir etwas fehlt. Manches im Leben habe ich mir anders vorgestellt. Habe ich was versäumt? Sollte ich gerade jetzt was verändern? Dann kommen mir Ideen: Ja das möchte ich noch erleben, das muss wunderbar sein… Ist das Sehnsucht?
„Ich sehne mich so nach dem Frühling“, hat meine Nachbarin zu mir gesagt, „nach seinem Duft, dem ersten Grün, einem lauen Lüftchen. Sie erhofft sich davon wieder mehr Freude am Leben, ein neues Lebensgefühl. Es wird wieder Frühling, ganz bestimmt. Dann hat dieses Sehnen ein Ende. Aber schneller, als man denkt, sind neue Sehnsüchte da. So ist das nun mal. Ein merkwürdiges Gefühl, diese Sehnsucht!
„Sich sehnen“ gehört zum Menschsein – das hat schon der Heilige Augustinus im 4. Jahrhundert erkannt.
Die Geschichte der Menschheit, unsere Kultur sind ohne dieses Sehnen nicht denkbar. Immer wieder sind die Menschen, getrieben von einer tiefen Sehnsucht aufgebrochen, wollten Neues entdecken, ihr Leben zum Besseren verändern. Die Sehnsucht kann einem Menschen unglaubliche Kräfte verleihen. Ihn auf großartige Ideen bringen. Sehnsucht ist das Gefühl, dass das Leben immer noch etwas für mich bereithält, etwas noch nicht Dagewesenes. Dass es noch etwas Besseres, Vollkommeneres gibt…
So ist das auch, wenn wir uns nach unserem ganz persönlichen Lebensglück sehnen. Nach einem Menschen, mit dem ich mein Leben teilen kann, der mich liebt, dem ich vertraue. (Natürlich sehnen wir Menschen uns nach ganz unterschiedlichen Dingen).
Es gibt Sehnsüchte, die die Menschen ein ganzes Leben lang begleiten und sie sogar leiden lassen: Wenn es nicht klappt mit der Liebe. Der geliebte Mensch unerreichbar ist. Sich das Leben nicht so gestaltet, wie man es erhofft hat. Menschen, die sich so sehr an das klammern, was sie sich ersehnen, übersehen manchmal das Naheliegende. Dabei wäre das gut für sie.
Und wenn es schlimm kommt, wird die Sehnsucht zur Sucht. Weil es ihnen dann nicht mehr gelingt, mit der Wirklichkeit zurecht zu kommen.
Der Heilige Augustinus hat festgestellt, dass die Menschen nach dem Vollkommenen suchen, dem Absoluten. Er sagt wörtlich “dass all unser leidenschaftliches Sehnen, sei es nach Erfolg, Liebe, Reichtum oder das Paradies letztendlich ein Sehnen nach Gott ist, ein Sehnen, das über diese Welt hinausgeht, in die Unendlichkeit.“

Aber selbst wenn sich meine Sehnsüchte und Träume solange ich lebe nicht absolut erfüllen lassen, sie helfen mir dabei, das Leben hier und heute schöner und lebenswerter zu machen

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