SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

So, jetzt ist es perfekt. Mit diesen Worten hat mir mein Vater neulich meine Krawatte zurechtgerückt. Wir waren auf einer Feier eingeladen und ich habe mich noch kurz von ihm verabschiedet. In diesem kurzen Moment, in dem er meine Krawatte in Ordnung gebracht hat, war ich plötzlich wieder 12 oder 13 Jahre alt. Damals hat er mir gezeigt, wie man sich eine Krawatte bindet. Ich weiß, dass viele so etwas nicht mögen. Aber in dem Moment hat es für mich einfach gepasst.

In diesem kurzen Augenblick auf dem Weg zum Fest ist mir klargeworden, dass Eltern nie aufhören werden, Eltern zu sein. Dass auch meine Kinder nie aufhören werden, meine Kinder zu sein, auch wenn sie irgendwann erwachsen sind und eine eigene Familie haben. Die Aufgaben von Eltern verändert sich im Laufe der Zeit. Irgendwann muss man seine Kinder nicht mehr tragen. Dann muss man vielmehr mittragen, was ihnen so begegnet.

Aber Eltern bleiben Eltern. Lehrerinnen bleiben Lehrerinnen und Pfarrer bleiben Pfarrer. Denn meine Aufgabe im Leben prägt auch mein Verhalten. Selbst bei Gott ist das so.

Jesus erzählt dazu eine Geschichte.[1] Ein Mann hat 100 Schafe. Als er abends merkt, dass eins der Schafe fehlt, geht er es suchen. Er lässt die 99 anderen im Stall und sucht so lange, bis er dieses eine Schaf gefunden hat. Und als er es dann gefunden hat, feiert er ein Fest, weil er sich so freut.

Ich verstehe: So ist Gott. Dafür sorgen, dass keiner verloren geht. Das hat er sich zur Aufgabe gemacht. Deshalb muss er mich einfach suchen, wenn ich verloren gehe. Und das kann schon mal vorkommen, weil ich ja auch mal meine eigenen Wege gehe. Mal was ausprobiere. Meine eigenen Erfahrungen mache. Ich glaube, wer eigene Kinder oder Enkel hat, weiß, was ich meine.

Da geht auch mal was schief. Und da verläuft man sich auch mal. Und trotzdem: Kind bleibt Kind. Gott wird mich auch zum 100sten mal suchen gehen, wenn ich mich verlaufen habe.
Wir alle haben in unserem Alltag ganz unterschiedliche Aufgaben. Und die verändern sich im Laufe der Zeit.

Bei Gott ist das auch so. Er ist Vater, Hirte, Tröster, Lehrer, Freund und noch vieles mehr. Und es tut mir gut, zu wissen, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Und er immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche.



[1] Lukas 15,1-7.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23776
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