SWR2 Wort zum Tag

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Gestern haben sie angefangen, die „Sieben Wochen ohne sofort“. Fastenaktion der Evangelischen Kirche.  Die Idee dahinter: sieben Wochen verzichten auf etwas, was einem zur Gewohnheit geworden ist. In diesem Fall: das „Sofort“. Es muss nicht alles sofort sein, und man muss nicht alles gleichzeitig machen und in Hektik, zum Beispiel sofort sms beantworten, ungeduldig auf das Handy starren und überall sofort an die Reihe kommen wollen. Vielmehr heißt es: langsamer! Pause machen und durchatmen. Eine Luxusaktion, keine Frage. Denn es gibt ziemlich viele Situationen, in denen man durchaus etwas sofort machen muss.

Beim Wasserrohrbruch möchte ich nicht, dass mir der Handwerker erklärt: „Also, das hat Zeit. Ich mache gerade sieben Woche ohne sofort.“ Meiner Freundin mit ihren drei Kindern und vier Jobs, die sie braucht, um sich über Wasser zu halten, und die von einem Termin zum anderen hetzt, werde  ich auch nicht  mit diesem Motto kommen. Und dass mein Vater immer gesagt hat: „Du machst die Hausaufgaben, und zwar sofort!“ Dafür bin ich ihm noch ewig dankbar.  

Es geht also einfach darum, dass  man die Soforts unterscheidet, in die überflüssigen und die nötigen. Die überflüssigen gibt es in rauen Mengen, das meinte auch schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Er schrieb: „Der Gruß der Philosophen untereinander sollte sein: Lass dir Zeit!“ Zeit zum Bedenken, zur Einkehr in sich selbst. Schöner kann man es nicht ausdrücken, auch für die Nicht-Philosophen. Lass dir Zeit! Du hast sie, du musst dich nicht selbst darum bringen, du musst sie dir nicht rauben und nicht rauben lassen. Wirklich neu ist das Problem des Sich-sinnlos-Abhetzens ja nicht. Schon Goethe, der statt Flieger und Handy zu benutzen, mit der Postkutsche fuhr und Briefe schrieb, hatte das Gefühl: Es geht alles zu schnell. „Reichtum und Schnelligkeit ist es, was die Welt bewundert und wonach jeder strebet“, meinte er, und  er beklagte die „Ameisenwelt“. Die „atemlose Hast der Arbeit“ nannte er  das „eigentliche Laster der neuen Welt.“ Zeitknappheit war für ihn kein persönliches Charakteristikum, sondern ein Merkmal seines Jahrhunderts.

Nur wer versucht, langsamer zu werden, wird bemerken, ob er nicht auch von  unsinnigen Soforts angetrieben wird. Nur wer abbremst wird merken, wie er getrieben wird und wovon.. Die Aktion „Sieben Wochen ohne“ ist ein Aufruf, sich des Luxusgutes „Zeit“ bewusst zu werden. Wenigstens für sieben Wochen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23762
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