SWR2 Wort zum Tag

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Im Jubiläumsjahr der Reformation ist es doppelt wichtig, sich jener Vorfahren zu erinnern, die damals die Geschichte voran brachten und Kirche wie Gesellschaft zu erneuern versuchten. Martin Luther selbst wollte ja bekanntlich keine neue Kirche gründen, sein Wirken steht im Kontext auch anderer Reformatoren. Einer davon ist Philipp Neri, ein ziemlich verhaltensauffälliger, ein großartiger Typ. Radikal gottverliebt wie Franz von Assisi, nahm er die kirchlichen Verhältnisse rund um den Vatikan auf den Arm. Im Gebet ganz gottverbunden und voller Liebe zu seinen Mitmenschen führte er förmlich karnevaleske Happenings und Umzüge durch – stets nur eins im Sinn: die Entdeckung der Gottesliebe und die Erneuerung des Kirchlichen.  Geschrieben hat  Philipp wenig, gelebt und angeregt aber  umso mehr. Nicht zufällig hat man ihn  einen Gottesnarren genannt, wortwörtlich verrückt auf Gottes- und Menschenliebe.  Mitten im Alltag, wo immer er war, hat Philipp durch  Stoßgebete sozusagen den heißen Draht zu Gott aktiviert und dessen Liebe-Feuer irdisch gezündelt. Eines dieser Stoßgebete – wir wissen es von Zeitzeugen – lautet ziemlich paradox: „Lieber Gott, ich verspreche Dir, ab heute nichts Gutes mehr zu tun.“  Da kommt etwas Leichtes und  Lockeres rüber: Endlich verzichten auf diesen Stress, immer Gutes zu tun oder wenigstens zu wollen. Endlich Abschied von diesem Terrorsatz: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Doch, es gibt viel Gutes längst vor unserem Tun, denn Gott ist die Güte; er schafft und bewahrt die Welt, und diesen Tag und mein Leben. Philipp geht ganz fröhlich und befreit davon aus, dass Gott allein gut ist. Er kennt seine Pappenheimer, vor allem kennt er sich: Er weiß, dass wir Menschen Mischwesen sind aus Gut und Böse. Und das spricht er offen und fröhlich im Gebet aus.  Der pfiffige Philipp Neri mit seinem Kern-Gebet empfiehlt die Freiheit der Kinder Gottes: Alles Gute will natürlich von uns getan und realisiert werden, nie genug. Aber wie schnell vergessen wir die Mächte des Bösen in uns, um uns, den Tanz um das goldene Ego und die Gier nach Vorteilen für sich. Und schon haben wir den Gutmenschen, der womöglich mit erhobenem Zeigefinger überall das Gute anmahnt, aber die Macht des Bösen unterschätzt, vor allem bei sich selbst. Philipp dagegen  empfiehlt jene fröhliche, ja karnevaleske Nüchternheit, in der wir uns nicht länger über- oder unterschätzen müssen.

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23711
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