SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wer viele Treppen zu steigen hat, dem tut ein Geländer gut. Beim Wandern sind Wegzeichen eine Hilfe. Auf den Straßen braucht es Verkehrszeichen. Und vergleichbar ist es im ganz normalen Chaos des Alltags: Unsereiner braucht so etwas wie eine  Richtschnur, einen roten Faden, einen Merksatz. Sich immer wieder daran zu erinnern und auszurichten, kann mehr Ordnung bringen. In den spirituellen Traditionen der Menschheit gibt es viele solcher Weg-Worte, die die Quintessenz eines ganzen Lebens beinhalten können. Solch ein  goldenes Wort findet sich in den Schriften von Ignatius von Loyola, dem Gründer der Jesuiten, dem katholischen Bruder von Martin Luther.  „Vertraue so auf Gott, als hinge aller Erfolg von Dir und nicht von Gott ab; wende jedoch so alle Deine Mühe an, als würdest Du nichts und Gott allein alles bewirken.“ Ein Kern-Satz, der wie ein Rätselspruch klingt. Auf der einen Seite so  leben und handeln, als wäre Gott förmlich völlig abwesend und untätig; bis an die Grenze zur  Selbstüberforderung hin wird hier der Mensch aufgefordert, sich selbst ernst und wichtig zu nehmen. Zugleich aber soll er alle seine Fähigkeiten so anwenden, als seien sie nichts wert und ohne Belang. Ja, was denn nun: Gott oder Mensch, Eigentätigkeit bis zum Äußersten oder radikales Gottvertrauen, fast mit eigener Untätigkeit im Gefolge? Diese gängigen Alternativen erweisen sich als ungenügend, ja falsch, als stünde Gott in Konkurrenz zum Menschen, als würde der Mensch geschwächt, wenn er an Gott glaubt. Das genaue Gegenteil ist der Fall. 

Einerseits, so betont Ignatius, sollen wir Menschen uns nicht überfordern und übernehmen. Das führt nur zu Stress und ist letztlich stets die Tendenz, selbst Gott spielen zu wollen und doch hilfloser Helfer zu bleiben. Nein: Wir sind Geschöpfe und zudem noch ziemlich egoistisch gefährdet oder verkrümmt. Da steckt noch im besten guten Wollen allzu oft ein egoistischer Spaltpilz. Aber dieser nüchterne Blick auf die Größe und Grenze des Menschen führt gerade nicht dazu, sich und die eigenen Möglichkeiten abzuwerten. Wenn Christen Gott sagen, dürfen sie ihn nicht als Ausrede gebrauchen, um selber tätig zu werden. Zugleich aber haben sie keinerlei Grund, sich aufzublasen und wichtig zu tun, denn alles Gute, das sie wollen und tun, stammt aus der einen göttlichen Quelle.  So paradox der Lebensspruch des Ignatius ist, er kann einen ständig begleiten und neu austarieren. Wer in Gefahr ist, in den Straßengraben egoistisch überdrehter Aktivität und Hektik zu geraten, soll sich stets daran erinnern lassen, dass nichts von ihm abhängt, sondern alles von Gott. Wer aber dazu neigt, die Dinge laufen zu lassen und überall sich hinter Gott zu verstecken, der wird sich sagen lassen müssen, alles hängt von Dir allein ab und niemals sollst Du Dich auf Gott herausreden. Gott nämlich würdigt den Menschen wie niemand sonst, und der Mensch wird Mensch, indem er Gott würdigt. So  kommt es zu  jener phantastischer Zusammenarbeit, die man gelebten Glauben nennt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23710
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