Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Meine Tochter hat morgens neuerdings  einen ganz  festen Zeitplan. Zwischen aufstehen, waschen, anziehen, frühstücken und zur Schule gehen ist ihr eins ganz wichtig: Es müssen noch 15 Minuten Zeit bleiben für das Wichtigste am Morgen. Für sie ist das Zeit, um mit ihrem Hund zu kuscheln. Dafür beeilt sie sich mit allen anderen Dingen. 

Staunend beobachte ich, wie ihr das jeden Morgen gelingt. Wie die beiden dann diese gemeinsame Zeit genießen. Ich versuche das ja auch oft. Alles ein bisschen schneller machen, um Zeit zu haben  - für das, was mir wichtig ist. Aber leider bleibt das Wichtigste bei mir trotzdem meist auf der Strecke. Und wenn ich mich umschaue, geht das vielen so. Vom Thermomix über Emails  bis hin zum Meeting per Skype - überall wird Zeit gespart. Noch effektiver, schneller, strukturierter.                                                                   

Einer Pflegekraft werden schon lange für manchen Handgriff nur noch fünf Minuten zugestanden. Zeit wird eingespart. Aber was hat der Einzelne oder die Einzelne davon?  Oft noch mehr Arbeit, aber kaum Zeit für das, was einem wirklich wichtig ist. Auch für etwas,  was vielleicht unvorhergesehen hereinschneit. Wenn jemand mal einfach reden will. Oder einen Spaziergang machen, weil gerade die Sonne mal scheint.

Oder für eine kurze Auszeit bei einer Tasse Tee. Das gerät oft aus dem Blick.  Und man fragt sich am Ende des Tages: Warum habe ich mich eigentlich so beeilt? Wofür? 

Von meiner Tochter habe ich neu gelernt,  mich morgens mal zu fragen: Was ist mir heute Morgen besonders wichtig? Und was im Lauf des Tages? To-do-Listen schreiben und sich eine Zeitstruktur geben ist sicher gut. Aber nicht dafür, dass ich mir immer noch mehr in den Tag packe. Sondern dafür, Raum zu schaffen: Zum Beispiel für Zeit für die Familie, für andere. Für sich selber – mal aufzutanken. Und Zeit für Gott zu haben, für ein Gebet. Etwas Aufbauendes zu hören. 

Bei  meiner Tochter kann ich jeden Morgen sehen, wie gut das tut. Wenn sie nach der Kuschelzeit mit unserem Hund ihre Tasche packt und in den Tag hinausgeht. Aufgetankt und voller Tatendrang.

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