SWR2 Wort zum Tag

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Wann haben Sie das letzte Mal gekniet?

Sich hinzuknien, das ist eine starke Geste. In meinem Leben kommt sie nicht häufig vor. Am ehesten, wenn ich mich jemandem ganz intensiv zuwende – einem Kind oder jemandm, der meine Hilfe braucht.

Knien ist heute eine eher seltene Geste. Das hat gute Gründe. Denn zu lange war es auch ein Zeichen erzwungener Erniedrigung, das Hierarchien gestützt und Menschen klein gehalten hat. In religiösen Zusammenhängen allerdings ist das Knien noch verbreitet. Mancher, der Religion kritisch sieht, erkennt darin die Reste einer Unterwürfigkeit, die nicht mehr in unsere Zeit passt. Ich sehe das anders.

Katholiken knien regelmäßig in der Messe. Für mich als evangelische Christin ist das Knien in der Kirche ganz besonderen Momenten vorbehalten – bei der Konfirmation oder bei der Trauung. Und da, so habe ich es empfunden, hat es seinen tiefen Sinn. Denn für mich waren das Momenten, in denen ich ganz stark gespürt habe, dass es hier zwar um mein Leben geht – aber dass ich darin eben nicht alles allein im Griff habe. Dass ich manches auch in andere Hände legen muss. Und für dieses Gefühl war das Knien genau die richtige Geste. Manchmal empfinde ich es auch beim Beten so.

Ich glaube: Freiwillig zu knien, das ist kein Zeichen von Schwäche oder Unterwürfigkeit, sondern im Gegenteil, von Selbstbewusstsein. Wer das Gefühl hat, ständig um Anerkennung kämpfen zu müssen, dem wird es schwerfallen, sich zwischendurch bewusst klein machen. Wer dagegen bereit ist, vor einem oder für einen anderen Menschen – einem kleinen Kind, oder einem, der Hilfe braucht – in die Knie zu gehen, der zeigt: Ich weiß, dass ich mich auch klein machen kann, ohne dass ich mich dabei verliere oder erniedrige.

Ich jedenfalls möchte weiterhin beides üben: Den aufrechten Gang – und das Knien. So wie die Theologin Dorothee Sölle es in einem Gedicht beschrieben hat:

Du hast mich geträumt, Gott,
wie ich den aufrechten Gang übe
und niederknien lerne,

schöner als ich jetzt bin,
glücklicher als ich mich traue,

freier als bei uns erlaubt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23696
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