SWR2 Wort zum Tag

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„Du sollst die Unterschiedlichkeit der Menschen respektieren und nicht versuchen, sie gleichzumachen.“ Das sagte die Filmregisseurin Caroline Link, als sie gefragt wurde, was für sie die wichtigste Lebensregel ist. „Du sollst die Unterschiedlichkeit der Menschen respektieren und nicht versuchen, sie gleichzumachen.“

In der Geschichte der Menschheit ist das eine ziemlich junge Lektion. Wir haben sie noch längst nicht gelernt. Und dennoch ist sie uralt. Sie steckt schon in den biblischen zehn Geboten. In diesen zehn Orientierungshilfen zu einem sinnvollen und gelingenden Leben. Eine Art Grundgesetz ist das, eine Menschenrechtscharta – rund dreitausend Jahre alt.

Dort steht zum Beispiel: „Du sollst dir keine Bilder machen ...“. Zunächst wird das auf Gott bezogen – und es meint nun nicht, dass man Gott nicht malen dürfe, wie man es missverständlich ausgelegt hat. Bilder legen fest. Das ist das Problem. Und der Verstoß gegen dieses Gebot besteht darin, dass wir Menschen meinen, Gott in ein Bild fügen zu können.

„Du sollst dir kein Bildnis machen“ – also keine Bilder, die Gott festlegen, wie er zu sein hat. Aber natürlich gilt das Bilderverbot auch vom Mitmenschen, wie Max Frisch scharfsinnig bemerkt hat. Immerhin hat Gott die Menschen zu seinem Bild geschaffen, und zwar als freie und individuelle Wesen, als Gegenüber zu ihm und zueinander – in all der Vielfalt, wie Menschen nun einmal sind, und in all der Vielschichtigkeit, in der sich menschliche Beziehungen entfalten.

Sich von jemandem ein Bild machen heißt: immer schon genau zu wissen meinen, wie er oder sie ist, wie er reagieren wird, was sie glaubt, denkt und tut, und warum sie es glaubt, denkt und tut. Sich ein Bild zu machen bedeutet, an Vorurteilen zu basteln. Sich selbst für klüger oder besser zu halten. Den eigenen Lebensstil höher zu bewerten.

Menschen sind nicht nur verschieden an Hautfarbe und Mentalität. Sie sind auch verschieden in dem, was ihre kulturellen Wurzeln und ihre Lebensgewohnheiten anbelangt. „Respektiere es, dass Menschen verschieden sind. Ihre Unterschiedlichkeit und Vielfalt ist eine Bereicherung für unsere Welt“ – sagt Caroline Link, und ich finde, sie hat Recht. Herausfordernd, aber eben auch bereichernd ist es, auf Erfahrungen und Lebensweisheiten anderer zu stoßen. Neues zu lernen. Oder einfach nur sich überraschen zu lassen von jemandem, von dem man meinte, ihn ganz genau zu kennen – und dabei dann womöglich noch auf Gott zu stoßen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23680
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