SWR2 Wort zum Tag

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In seinem letzten Buch denkt der schwedische Schriftsteller Henning Mankell über existenzielle Fragen seines eigenen Lebens nach. Aber auch grundsätzlich darüber, „was es heißt, ein Mensch zu sein“. [1] „Treibsand“ lautet der Titel des Buchs. Mankell hat es kurz vor seinem Tod veröffentlicht.

In einem Kapitel setzt er sich mit dem Thema „Hoffnung“ auseinander. „Was geschieht mit Menschen, die jegliche Hoffnung verloren haben? Wenn ihnen nichts mehr bleibt?“[2], fragt Mankell.  Es gibt viele Gründe, sich damit auseinander zu setzen; für ihn war es die tödliche Diagnose Krebs. Aber worauf Menschen hoffen, das ist so vielfältig wie das Leben. Mankell erzählt vom Besuch in einem Café: „Ich betrachte die Menschen an den anderen Tischen und denke mir, dass sie alle eine gewisse Hoffnung mit sich herumtragen. Dass ihnen etwas gelingen möge, dass etwas zu Ende geht, sich für etwas eine Erklärung findet, etwas Schmerzhaftes sich als fasch herausstellt.“[3]

Ich glaube das auch: Wir könnten nicht leben und nicht handeln, wenn wir nicht von der Hoffnung geleitet  würden, dass es zu etwas gut ist, dass sich ein Sinn darin zeigt. Ich könnte nicht kreativ sein, nichts wagen, nicht neu anfangen und auch kein Leid ertragen ohne Hoffnung. Auch wenn Hoffnungen sich vielleicht nicht erfüllen, auch wenn sie immer weiter reduziert werden müssen. Dennoch. „Die ganze Zeit“, sagt Henning Mankell, „müssen wir dafür sorgen, dass die Hoffnung immer stärker ist als die Hoffnungslosigkeit. Ohne Hoffnung gibt es im Grunde kein Überleben.“[4]

Was aber geschieht, wenn keine Hoffnung mehr besteht? Gibt es dann auch keinen Gott mehr?, fragt Mankell. Ist dann der Himmel so leer wie das Meer? „Es gibt keine Antwort auf diese Frage“, sagt er. „Sie ist ganz einfach falsch gestellt oder unmöglich zu  beantworten. Wo alle Hoffnung endet, gibt es kein menschliches Leben.“[5]

Ist das dennoch möglich: leben, auch wenn alles hoffnungslos erscheint? Ich glaube, das ist der Ernstfall der Hoffnung: selbst dann noch vertrauen, wenn alle Wünsche vergebens sind. Vertrauen, dass es selbst in tiefster Nacht eine Antwort gibt – auch wenn ich sie überhaupt nicht erkennen kann. „Die Hoffnung existiert“, sagt Henning Mankell. „Vielleicht nur als Schatten. Aber dennoch.“

 



[1]Henning Mankell, Treibsand. Was es heißt, ein Mensch zu sein, Wien 2015.

[2] A. a. O. 102.

[3] A. a. O. 104.

[4] Ebd.

[5] A. a. O. 102.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23637
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