SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Wir alle kannten den Peter seit Jahren und wir werden ihn auch nicht vergessen. Peter, ein kleiner hibbeliger Typ. In den letzten Jahren dünner und dünner. Als wollte er einfach verschwinden aus der Welt.

Dieses Jahr kam er wieder in die Kirche, wo es seit Anfang Januar wieder jeden Tag Essen und viel mehr gibt für Menschen, die arm sind wie er und deswegen einsam, die auf der Straße leben oder in Heimen oder in ungeheizten Wohnungen.

Dieses Jahr war Peter besonders schwierig. Vom ersten Tag an hat er sich dauernd mit jemand angelegt wegen irgendwelchem Mist. Er hat sich in der Kirche die Seele aus dem Leib gebrüllt, kaum verständliche Worte gebebbert aus seinem Mund ohne Zähne. Ich hab ihn mehr als einmal rausgeworfen, nachdem er gegessen hatte. Weil er wieder angefangen hat zu streiten und zu brüllen.

Dann an einem Morgen ist er einfach in sich zusammengesackt im Windfang, zwischen den Türen. Auf seinem Rollator. Einer hat’s entdeckt und alle sind gerannt:

Sanitäter, Krankenschwester, unsere Ärztin, Notruf und Krankenwagen und Notarzt. Und doch war es zu spät. Peter ist bei uns in der Kirche gestorben. Einer wusste, dass er am Tag zuvor erklärt hatte, er werde nicht mehr lange leben.

Im Nachhinein ist mir, als hätte er nicht mit den anderen gestritten, sondern mit Gott selbst. Über sein Leben, das nicht eines von den sogenannten erfüllten, gelungenen Leben war.
Sondern eines voller Brüche und Unglück und Einsamkeit. Ein Leben mit Alkoholismus und einer Familie, die lange schon nichts mehr von dir wissen will.

Im Nachhinein bin ich irgendwie froh, dass er bei uns gestorben ist und nicht auf der Straße oder allein in seinem Zimmerchen. Ich bin froh, dass wir seine Anwesenheit hier immer noch spüren und für ihn beten. Und dass unsere Wut da ist, wo sie hingehört und ernstgenommen wird: vor Gott.

Und irgendwie meine ich, dass Gott ihm Recht gibt, und ihm zuhört jetzt im Himmel wenn er weiterschimpft und ich vertraue darauf dass Gott den Peter jetzt in den Armen hält und dass sie ihn endlich tröstet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23611
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