SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Sie ist sehr dankbar, dass sie einen Platz im Hospiz für ihren Mann bekommen hat.“ Das hat mir eine Frau erzählt. Sie geht jeden Tag hin, setzt sich an sein Bett und hält seine Hand. Sie sagt, es ist das einzige, was sie noch tun kann: Da sein, ihm zur Seite sein, jetzt, auf der Grenze zwischen Leben und Tod.

Vieles geht ihr dabei durch den Kopf, hat sie mir anvertraut, Gedanken, Empfindungen, Erinnerungen. Wie er jeden Morgen am Tisch die Zeitung las, sein verschmitzter Humor, und auch seine manchmal umständliche Art. Über 40 Jahre waren sie verheiratet, hatten Höhen und Tiefen durchlebt.

Es war nicht immer einfach gewesen. Auch wegen seiner Arbeit, die ihn oft an die Grenze der Belastbarkeit brachte. Und sie mit den Kindern auch. Sie fragt sich, ob dieses Leben für ihn so gut gewesen war. Sie weiß es nicht wirklich. Aber sie wünscht es ihm.

Ihr ist bewusst geworden, hat sie mir erzählt, auf der Grenze des Lebens bekommt vieles einen anderen Sinn. Sie würde viel darum geben, noch einmal mit ihm, Arm in Arm, auf der kleinen Bank in ihrem Garten hinter dem Haus zu sitzen, der untergehenden Sonne zuzusehen und dabei über Gott und die Welt zu reden.

Sie glaubt, alles Leben dieser Welt ist ein Werden und wieder Vergehen. Im Großen und im Kleinen. So wie bei ihr jetzt auch.
Ich habe sie gefragt: Und Gott?

Sie weiß nicht, sagt sie. Sie hat viel über ihn nachgedacht in letzter Zeit. Ihr Mann war kein Kirchgänger gewesen. Noch nie. Und sie auch nicht. Trotzdem war immer das Gefühl da, dass es Gott gibt. Irgendwie. Einer, der letztlich Welt und Menschen in der Hand hält. Unsichtbar, aber dennoch da.

Auch im Hospiz hält Jemand die Hand ihres Mannes, ist da für ihn. Und auch für sie.
Das zu wissen beruhigt sie. Sie fühlt sich gut aufgehoben, weil man hier weiß worauf es ankommt, was ein Sterbender braucht. Und was sie braucht, als seine Frau. Da reicht oft ein verstehender Blick, ein gutes Wort, eine fürsorgende Geste.

Ich war sehr beeindruckt von dieser Begegnung. Von dieser Frau. Von dem, was sie mir erzählt hat. Und wie sie es erzählt hat.
Ihre ganze Trauer war zu spüren, aber auch viel Trost. Auch in Bezug auf das Hospiz.

Ich finde es bewundernswert, wie sie damit umgegangen ist, dass ihr Mann bald sterben muss. Und dass es Hospize gibt, die ermöglichen, dass Menschen an der Grenze des Lebens nicht allein gelassen sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23606
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