Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die zwei Frauen hinter mir im Bus sind aber auch wirklich mit allem unzufrieden. Ob Straßen, Geschäfte, Fahrzeiten der Busse, Bankzinsen: nichts passt ihnen. Alles ist schlecht in unserer Stadt, alles! Nirgends ein Lichtblick. 

Ich will das alles gar nicht hören und muss doch, so Bank an Bank im Omnibus. Und so kann ich beobachten, wie da richtig eine Rutschbahn der Gefühle in Gang kommt. Die beiden sind heute offensichtlich nicht gut drauf. Sie sehen überall Probleme und legen immer noch eins dazu. Und die Laune wird immer mieser. Wenn man sich in Wut geredet hat, dann geht schon mal der Überblick verloren und die Logik gerät irgendwie durcheinander. Das ist bei mir nicht anders. Vielleicht müssen die beiden Frauen einfach nur mal Druck ablassen und sind nachher wieder besser drauf? Sie schimpfen ja nur, werfen keine Steine und beleidigen niemanden persönlich.

Aber – harmlos ist es vielleicht doch nicht. Ich frage mich besorgt: woher kommt so viel Zorn und Wut von wohlsituierten Menschen? Es gibt sicherlich verschiedene Gründe, auch sehr persönliche. Viele empfinden ihr Leben insgesamt als bedroht. Denn es wird immer deutlicher: Wohlstand und Sicherheit können wir uns wünschen, aber niemand kann das garantieren. Das macht Angst. Angst aber macht ohnmächtig, und aus der Ohnmacht entstehen Zorn und Wut.

Wut ist auf Dauer ungesund und wenig hilfreich. Sie setzt sich fest, sie vergiftet das eigene Denken und Fühlen. Und sie trübt die Augen. Denn irgendwann sehe ich dann nur noch schwarz. Deshalb ist es mir wichtig geworden, auf meine Worte zu achten: Wie spreche ich? Wie kritisiere ich? Wie bin ich drauf? Das zu überprüfen und mich zu befragen ist – so finde ich – meine Pflicht. Ich übe schon länger, meine Worte und Gefühle nicht ungebremst auf andere loszulassen. Ich will nicht, dass Zorn und Wut über mich bestimmen. Ich möchte die Chefin meiner Worte bleiben. Auch im Omnibus!

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