SWR3 Gedanken

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„Teller her! – Jeder isst einen Teller! – Mindestens einen!“ Dass hat meine Mutter immer gesagt, wenn sie den großen heißen Eintopf mit den Topflappen auf den Tisch gestellt hat. Immer an Samstagen, wenn es Linseneintopf gab.  Ich hab die Nase gerümpft, weil ich Linsen nicht mag. „Das ist gesund!“, hat meine Mutter gesagt. „Ihr wisst nicht, was gut ist!“

Wir haben sie gegessen, obwohl wir Kinder den Linsen nicht viel abgewinnen konnten. Mittlerweile ist das anders. Seitdem meine Bekannte Maria mir erzählt hat, wie glücklich Linsen machen können: Sie läuft immer mit Linsen in der Hosentasche herum.

Auf die Frage, warum sie Linsen in ihrer Hosentasche hat, hat sie geantwortet, dass sie morgens alle Linsen in die rechte Hosentasche packt. Im Laufe des Tages macht sie bei jedem schönen Erlebnis eine Linse von der rechten in die linke Hosentasche. Abends, bevor sie ins Bett geht, fühlt sie die vielen Linsen in ihrer linken Hosentasche. Dann freut sie sich über all die positiven Ereignisse, die sie heute erlebt hat.

Am Anfang waren es nicht sehr viele. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr. Weil sie geübt hat, sich über die kleinen Dinge im Alltag zu freuen: Der Kaffee-Duft aus der Küche am Morgen, das Lachen ihrer Kinder, das nette Gespräch mit einer Nachbarin – immer wandert eine Linse von der rechten in die linke Tasche.

Es müssen ja nicht Linsen sein. Kleine Perlen gehen auch oder am Abend aufschreiben was war. Es geht einfach darum, hat Maria mir erklärt, besser auf die kleinen Glücksmomente zu achten.

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