SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich halte mit meinen Rad an einer Straßenkreuzung. Da ruft jemand zu mir: „Ey! Guck mal!“
Ich schaue nach rechts. Ein Mann lehnt an einer Hauswand. Dürr, zerfallenes Gesicht. Er trägt Leggins mit Rock. „Schön, gell? Hab ich geschenkt gekriegt!“, sagt er und zeigt auf seine „neuen Klamotten“.  Ich trage auch Leggins und Rock. „Haha, fast so schön wie deiner!“ sagt der Mann und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Dann wird es grün und er brüllt mir hinterher: „Pass auf dich auf!“

Pass auf dich? Das sagt der Richtige…! Was meint er damit?

Meine Mutter sagt es zu mir, wenn wir uns verabschieden. Weil sie mich gerne hat und  nicht möchte, dass mir etwas zustößt. Meistens dann, wenn klar ist, dass wir uns längere Zeit nicht sehen werden. Ich sage es manchmal auch zu Leuten die mir viel bedeuten und die ich länger nicht sehe. Aber der Mann kannte mich ja gar nicht…

Ich sehe ihn innerlich vor mir, in seinem Rock mit der Korn-Flasche in der Hand. Schon ein bisschen fertig mit der Welt. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin ihm nicht egal. Ich soll mir selbst auch nicht egal sein. Ich soll auf mich Acht geben – dort wo ich die Fäden selbst in der Hand halte. Vielleicht gerade, weil er das offensichtlich nicht mehr tut.

Eigentlich könnte mir der Mann und das, was er gesagt hat egal sein. Ist es aber nicht. Ich bin nämlich inzwischen sicher, dass er mich am helllichten Tag mitten auf der Straße gesegnet hat. Jemanden segnen heißt, ihm etwas Gutes zu sagen. „Pass auf dich auf!“ Das war mein Segen für diesen Tag.

                                                     

 

 

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