SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Heute war er nicht - der perfekte Tag. Schon wieder nicht. Und ich glaube, das liegt daran, dass es den einfach nicht gibt. Einen Tag, der perfekt ist.

Manchmal wünschen sich das Menschen ja: wenn sie Hochzeit feiern oder einen runden Geburtstag haben. Dann soll alles stimmen. Was es zu essen und zu trinken gibt, was in den Reden gesagt wird. Die Gästeliste ist bis ins Detail ausgefeilt worden. Keine Kleinigkeit wird dem Zufall überlassen. Damit es nachher auch wirklich 100%ig passt, muss an alles gedacht werden.

Bleibt nur zu hoffen, dass alle dann tatsächlich wissen, was sie sich da vorgenommen haben. Oder besser: dass sie klug genug sind, das nicht ganz ernst zu nehmen. Weil es das eben nicht gibt: Perfektion. So ist der Mensch nicht. Keiner. Im Gegenteil: Wir machen andauernd Fehler, jeden Tag. Selbst wenn wir uns noch so sehr anstrengen, bleibt immer etwas, das unfertig ist. Das zu wissen - und noch mehr - es zu akzeptieren, das tut gut. 

Wenn ich daran denke, wie meine Tage normalerweise verlaufen, dann fällt das Ergebnis ohnehin nüchtern aus. In aller Regel schaffe ich nicht, was ich mir vornehme. Es kostet mich manchmal Anstrengung, das Wichtige vom Nebensächlichen zu trennen und meine Zeit nicht zu verplempern. Wenn ich mir am Abend anschaue, was bei meiner Arbeit heraus gekommen ist, bin ich meistens nicht ganz zufrieden. Manchmal wüsste ich nicht mal zu sagen, was genau fehlt, aber das Gefühl bleibt: Es ginge besser!

Wenn ich damit hadere - und es gab eine Zeit in meinem Leben, wo das ein echtes Problem für mich war - dann steckt darin eine große Gefahr: Es kann zu einem Zwang werden, alles richtig zu machen, es allen recht zu machen. Aber das Scheitern ist vorprogrammiert. Niemand könnte dem entkommen. Der Zwang zur Perfektion beginnt einen innerlich aufzufressen. Wer perfekt sein will, kann nicht mehr loslassen, kann nicht mehr abschalten. Das macht auf die Dauer krank. 

Deshalb sage ich so gelassen wie ich nur kann: Heute war kein perfekter Tag, vielleicht nicht mal ein guter. Mittelmäßig wird er gewesen sein. Ok. Ich habe bestimmt Möglichkeiten, etwas besser zu machen. Davor will und werde ich mich auch nicht drücken. Aber übrig bleiben wird trotzdem immer etwas. Das darf sein. Es ist nicht schlimm. Wenn ich heute Abend vor dem Spiegel stehe, mir die Zähne putze, und mir kurz zuzwinkre, dann hab ich’s kapiert.

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