SWR4 Abendgedanken

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Ein neues Kreuz steht am Straßenrand. Ich habe es neulich entdeckt. Direkt nach einer langgezogenen Kurve ziemlich nahe an der Fahrbahn. „Martina“ – steht auf dem schlichten Holzkreuz. Darunter der Todestag. Kaum eine Woche ist der Unfall her. Was war geschehen? Wer war schuldig oder unschuldig? Ich weiß es nicht. Die Antworten darauf ändern nichts an der Tatsache, dass hier ein junger Mensch gestorben ist. Und es gibt ein paar Menschen, die Martina geliebt haben. Die haben das kleine Kreuz aufgerichtet und bunte Stein drum herum gelegt.

Solche Kreuze am Straßenrand gibt es ja immer wieder. Die meisten Autofahrer fahren achtlos vorbei, registrieren nur mit den Augenwinkeln, was da steht. Schade eigentlich. Denn wir sollten diese Kreuze mehr beachten, meine ich. Aber sicher nicht so, dass wir die Kreuze als eine Drohung verstehen: Wenn du so schnell fährst wie der, an den das Kreuz erinnert, dann wird es dir auch irgendwann so ergehen wie ihm. Nein, so nicht. Eher als Erinnerung daran, wie man plötzlich mitten im Leben dem Tod begegnen kann.

Eigentlich stellen sich die meisten das Sterben ja anders vor, glaube ich. Sie denken: gestorben wird in Altenheimen, in Krankenhäusern oder, wenn man Glück hat, daheim in den eigenen vier Wänden. Aber sterben auf der Straße? In einem Nebelloch nach einem Auffahrunfall? Manche wollen daran nicht erinnert werden. Sie finden die Kreuze störend. Aber ich finde, es ist manchmal notwendig, sich stören zu lassen. 

„Martina“ steht auf dem kleinen Holzkreuz. Es erinnert an die junge Frau, die hier gestorben ist. Mich erinnert das Kreuz aber auch an den Menschen Jesus. Auch er hat sterben müssen – an einem Kreuz. Und wir Christen glauben: Gott hat ihn auferweckt. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, hat er gesagt. Deshalb ist das Kreuz meine Hoffnung. Und ich vertraue darauf, dass Martina jetzt bei Gott gut aufgehoben ist – und ebenso alle, die um sie trauern.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23512
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