SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Seit Jahren laufe ich mit einer Maske herum. Hinter der verstecke ich meine Gefühle“, hat mir ein junger Mann erzählt. „Ich lächle, aber mein Lächeln ist nicht echt. Ich wirke sicher und stark, aber das ist nur Theater. Ich wünsche mir einen Menschen, der das durchschaut, mich in den Arm nimmt, und sagt: Ich mag dich auch wenn du schwach bist. Oder traurig. Oder auch mal schlecht gelaunt.“

Ich kenne den jungen Mann. Hinter seiner Maske steckt ein verletzlicher Mensch. Und der sehnt sich nach jemanden, der ihn annimmt so wie er ist.

Ich behaupte: Jeder Mensch hat im Alltag eine Maske auf. Und manchmal tragen wir im Laufe des Tages sogar mehrere Masken. In der Familie, im Beruf, in der Freizeit: der Harte, die Lässige, der Wichtige, die Fleißige. Auch Kleidung und Haartracht können Maske sein. Immer perfekt sein zu wollen, kann auch eine Maske sein. Ganz ohne Masken zu leben, geht nicht, meine ich. Denn Masken können auch schützen, zum Beispiel, wenn einer unsicher ist. Dann spielt er den Selbstbewussten, weil andere seine Unsicherheit sonst belächeln. Aber auf Dauer hält man das nicht durch.

Mir fällt dazu ein Satz aus der Bibel ein. „Gott, du durchschaust mich und kennst mich. Du verstehst meine Gedanken von ferne.“ (Psalm 139) Ich verstehe das so: Gott schaut durch meine Masken hindurch. Er durchschaut mich. Aber nicht in dem Sinn: Ich durchschaue dich und dein falsches Spiel! Sondern anders: Ich kenne dich. Ich sehe, wie es dir geht. Ich weiß, was du gern verstecken willst. Aber bei mir ist das nicht nötig. Ich stehe trotzdem zu dir. Trotz deiner Schwächen und Fehler. Auch wenn du wütend bist oder enttäuscht. Darauf kannst du dich verlassen.

Gott mag mich so, wie ich bin. Ohne Maske. Könnte mir das nicht helfen, mich auch selber anzunehmen mit meinen Schwächen und Fehlern? Und dann vielleicht auch die anderen? Die Menschen hinter ihren Masken? Weil Gott auch diese Menschen mag so wie sie sind?

Dem jungen Mann, der sich nach einem Menschen sehnt, der ihn annimmt so wie er ist, dem wünsche ich, dass er so jemanden findet. Jemanden, der ihn so sieht wie Gott ihn sieht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23511
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