Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wo die Familie zusammen kommt, da kann es schön sein, aber auch sehr wehtun. Schön ist es, wenn die Familie gemeinsam isst, um den Weihnachtsbaum herum sitzt und lacht.

Das ist aber nicht überall so. Denn wo die Familie zusammen kommt, da sind Leute beieinander, die sich sehr gut kennen. Und die einander deshalb auch tief verletzen können. Da reicht manchmal schon ein Wort oder nur ein Blick.

Ich kenne Familien, die sind jetzt echt froh, dass sie die Weihnachtstage ohne größeren Streit hinter sich gebracht haben. Und dass jeder wieder in seinen eigenen vier Wänden ist und man sich den Rest des Jahres nur noch am Telefon begegnet.

Und ich kenne Familien, die haben Weihnachten gar nicht zusammen gefeiert. Weil sie so verletzt sind, dass sie nicht mehr miteinander reden können. Aber es gibt auch die anderen Familien: Die leben mit drei, vier Generationen unter einem Dach. Und können gut miteinander – jeden Tag.
Manchmal frage ich mich: Wie machen die das? Sich so gut zu kennen, sich so nah zu sein und sich trotzdem so gut zu verstehen?

Wenn ich nachfrage, wie das geht, sagen die meisten: „Ab- und zugeben“. Nur so geht‘s. Jeder gibt ab und zu. Jeder geht Kompromisse ein, nimmt sich selbst nicht immer zum Maßstab aller Dinge. Jeder, auch die Alten. Die eben nicht meinen, sie hätten ja die Erfahrung und deshalb recht. Und auch die Jungen geben ab und zu. Und meinen nicht, sie hätten so einen Stress, da müsse man Rücksicht nehmen.

Ab- und zugeben. Gar nicht so einfach. Ehrlich gesagt hab ich es schon ganz gerne, wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Trotzdem glaube ich, dass kein Weg daran vorbei führt: Wenn wir alle es miteinander schön haben wollen, dann müssen wir alle ab- und zu geben, Kompromisse machen, Rücksicht nehmen.

Und das gilt nicht nur in der Familie. Das gilt auch in der Weltpolitik.
Denn letztlich wohnen wir alle unter einem Himmel.

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