SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Kindern soll es gut gehen. Ein Aspekt, den viele dabei betonen: Jedes Kind braucht einen Vater und eine Mutter. Alles andere schadet den Kindern. Einerseits ist klar, dass jedes Kind feste Bezugspersonen braucht. Aber ich frage mich, ob es da nicht auch andere Möglichkeiten geben kann, wenn ein Vater oder eine Mutter ausfällt. Gerade wenn ich an die Situation von Menschen denke, die ihre Kinder allein aufziehen.

Ich kenne einen Vater, der seine Kinder alleine erzieht, weil die Mutter gestorben ist. Ich sehe, wie er alleine für den Lebensunterhalt sorgt, sich um die Betreuung der beiden Kinder kümmert und im Augenblick auch die Pubertät der beiden meistern muss. Nur eben ohne Mutter.

Oder eine Frau, die ich kenne: Ihr Mann hat sie verlassen, nachdem sie psychisch krank wurde. Sie schafft ihren Alltag auch mit zwei Kindern, die sie großzieht. Trotz ihrer eigenen Probleme und ohne das zweite Elternteil.

Ich habe großen Respekt vor diesen Menschen. Sie setzen alle Energie für das Wohl ihrer Kinder ein und stellen ihre eigenen Bedürfnisse hinten an. Besonders, wenn sie unter dem Verlust des Partners leiden oder ohne Partner einsam und im Stich gelassen sind.

Wenn ich an diese Leute denke, ist es mir peinlich, dass sie oft zusätzlich noch den Druck von christlicher Seite spüren. Wenn sie hören müssen, dass sie nicht dem christlichen Familienideal entsprechen. Sie sind vielleicht keine vollständige Familie. Aber das wissen sie ja selbst am besten. Und dafür sollen sie sich nicht schämen müssen. Es ist doch nicht der Sinn eines christlichen Ideals, die Menschen zu beschämen oder zu demotivieren.

Für mich ist am Christsein zentral, dass ich von Gott angenommen bin so wie ich bin. Jesus hat das so praktiziert: Wenn er Menschen begegnet ist, dann hat er ihnen keine Vorhaltungen gemacht. Er hat ihre Not gesehen und ihnen geholfen. Auch dabei, wie sie sich am Guten orientieren können, wenn es ihnen wieder besser geht. Als Christ kommt für mich das traditionelle Bild einer Familie deshalb nicht an erster Stelle. Wichtiger finde ich den Maßstab, den Jesus vorgegeben hat: Dass ich barmherzig bin. Und das verlangt, dass ich großzügig bin, wenn andere nicht so leben, wie es althergebracht richtig erscheint. Es geht darum, dass ihr Leben gelingt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23384
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