SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Von vorne sieht er aus wie ein Tempel und von hinten wie ein Stall. Ich spreche von dem Tabernakel in unserer Liebfrauenkirche in Koblenz.  Ein Tabernakel ist der Schrank, in dem in katholischen Kirchen die so genannten Hostien aufbewahrt werden. Das Stück Brot, von dem wir Katholiken sagen, da ist Gott in besonderer Weise anwesend. 

Dass er aussieht wie ein Tempel, macht Sinn. Denn der Tempel ist seit alters her der Ort, wo man dem Göttlichen huldigt. Hier verbeugen sich die Menschen vor Gott, sagen ihm dank; loben und preisen ihn. In vielen Religionen gibt es Tempel oder tempelartige Gebäude, die meist besonders aufwendig und schön gestaltet sind.

Aber der Stall, wieso ist der Tabernakel auch ein Stall? Das ist das besondere an dem christlichen Gottesbild. Gott bleibt nicht Gott, sondern wird Mensch in einem Stall, im Stall von Bethlehem. Er verlässt den Himmel und kommt auf die Erde. Er verlässt den Palast, um in einer Hütte zur Welt zu kommen. Das ist das Verrückte am christlichen Gottesbild. Unsere üblichen Gottesvorstellungen werden ver-rückt. Gott ist nicht nur groß, erhaben und allmächtig, sondern gleichzeitig auch klein, nahe und ohnmächtig. Und damit begibt er sich auf Augenhöhe mit dem Menschen. Er bietet dem Menschen so zusagen sein „Du“ an.

Das ist oft schwer zusammenzukriegen: Der Tempel und der Stall, die göttliche Majestät und das menschliche Gegenüber. Und doch ist das letztlich die Geschichte von Weihnachten: Gott wird Mensch. Gott lässt sich mit Haut und Haar auf uns Menschen ein. Eine wunderbare Botschaft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23375
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