SWR3 Gedanken

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Martin Luthers Reformation, angefangen vor 500 Jahren,
war sehr erfolgreich und folgenreich bis heute;
auch deswegen, weil sich ziemlich gleichzeitig mit ihr
die moderne Öffentlichkeit entwickelt hat.

Was passiert war:
Der Professor Martin Luther lädt zur theologischen Debatte ein;
ein Zettel am Schwarzen Brett der Uni Wittenberg –
und wohl auch an der Tür der Schlosskirche.
Ziemlich revolutionäre Thesen trägt er da vor;
aber im Grunde ist das business as usual unter Theologen, damals wie heute:
Was die Amtskirche so treibt, was das Volk so glaubt und aberglaubt –
Theologen müssen das hinterfragen, mit der Bibel in der Hand.
Und – klar: auch den Zölibat und die angeblichen Reichtümer der Kirche…
Normal wäre das alles steckengeblieben in Wittenberg, in der Provinz;
und Papst und Bischöfe hätten es totschweigen können.

Aber gerade rechtzeitig gab es damals diese neue Art von Öffentlichkeit;
erstmals konnten die Leute sich ein eigenes Bild machen.
Die neue Buchdruck-Technik machte handgeschriebene Thesen auf einem Zettel
ziemlich schnell als Flugblatt tausendfach verfügbar.

Und bald schon konnten sie die Bibel selbst lesen,
auf Deutsch – in Luthers Übersetzung;
und verstanden endlich, worum es in der Kirche ging.
Und jetzt konnten sie ihre Meinung dazu auch drucken und öffentlich machen.

Das hatte die offizielle Kirche „nicht auf dem Schirm“; hat sie schlicht verpennt.
Manchmal fürchte ich fast, das könnte heute wieder so gehen –
Internet und weltweiter Nachrichten- und Gerüchte-Austausch sind ja heute
ein ähnlicher Quantensprung wie damals die Sache mit dem schnellen Druck.

Martin Luther sprach ja auch aus, was viele andere dachten und fühlten:
über die Herren in der Kirche; über ihre eigene Freiheit als Christenmenschen.
Heute würde sich so eine Übereinstimmung in Echtzeit herstellen lassen...

Luthers Reformation und die neue Öffentlichkeit –
die haben sich gegenseitig gebraucht und vorwärtsgetrieben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23302
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