Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ochse und Esel stehen ganz hinten im Stall! Da gehen sie in unserer Weihnachtskrippe fast unter! Schließlich sind da auch noch Maria und Josef und das Jesuskind in der Krippe. Die Hirten mit ihren Schafen und dem Hütehund. Und die drei Könige sind mit Kamel, Elefant und Zebra auch schon im Anmarsch. Da ist kaum noch etwas zu sehen von Ochse und Esel.

Und dabei sind sie doch die eigentlichen Hauptfiguren der Weihnachts­geschich­te. Mit dem Jesuskind. So sehen es zumindest die ältesten Krippendarstellungen, die wir kennen. Sie zei­gen nur den Ochsen und den Esel neben dem Kind in der Krippe. Von Maria keine Spur – die zieht erst im frühen Mittelalter in die Weihnachtskrippen ein und Josef noch viel später.

Warum war es den Christen der ersten Jahrhunderte so wichtig, dass Ochse und Esel bei Jesu Geburt dabei waren? Sie kommen doch in der Weihnachts­geschichte der Bibel gar nicht vor! Die Antwort ist ganz einfach: Weil gerade diese unscheinbaren, trägen und angeblich dummen Tiere am besten zur Weihnachtsbotschaft passen. Weil sie für die Menschen stehen, denen die Weihnachtsbotschaft etwas bedeutet. Für mich also! Vielleicht auch für Sie? Ich Esel, Sie Ochse! Und das ist nicht als Beleidigung gemeint, im Gegenteil!

Die Christen der ersten Jahrhunderte haben den Ochsen und den Esel aus dem Alten Testament in die Weihnachtsgeschichte hineingedeutet. Denn beide tauchen beim Propheten Jesa­ja auf – lange vor Jesu Geburt. Da heißt es in einem Vers: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber mein Volk versteht es nicht.“ (Jes 1,3)

Diese scheinbar trägen, dummen Tiere stehen in der Weihnachtskrippe also für die Menschen, die die Weihnachtsbotschaft verstehen. Sie sind die „Klugen“. Sie sind klüger als die Menschen, denen Weihnachten zu süßlich ist. Oder die meinen, das kann ich alles nicht glauben.

Und der Ochse und der Esel, die beiden Arbeitstiere, stehen auch für die Menschen, die sich am Rand fühlen, nicht geachtet, nicht wertgeschätzt. Und gerade sie finden sich in der Weihnachts­krippe auf den besten Plätzen wieder – direkt neben dem Jesuskind, direkt in Gottes Nähe.

Damit ich zu Gott kommen darf, brauche ich nichts Besonderes darstellen, heißt das für mich. Ich brauche nichts Besonderes zu können oder zu machen. Gott ist bei denen, die ihn brauchen. Nicht bloß bei denen, die vornedran stehen und einen guten Eindruck machen.
Ich Esel, Sie Ochse! Gott ist ganz nahe bei uns!

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