Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Einmal heiß duschen, Körper und Geist erfrischen. Wach werden. Das ist für mich eine Zeit der Meditation. Damit fängt mein Tag erst so richtig an. Ich gebe zu: Fast jeden Morgen steige ich unter die Dusche. Ich weiß, manche sehen das kritisch. So oft muss das nicht sein, ist für die Haut ungesund.

Ich dusche trotzdem. Weil es sich unbeschreiblich anfühlt. Ich lasse das Wasser über mich laufen und wasche die Nacht ab. Ich streife meine Müdigkeit ab, die letzten Traumfetzen, den Schlaf, der mir noch in den Knochen steckt. Ich werde wach.

Sich waschen oder auch andere waschen, das spielt nicht von ungefähr in vielen Religionen eine wichtige Rolle. Vor allem als rituelle Waschungen. Die gibt’s vor dem Gottesdienst oder für bestimmte religiöse Handlungen. Die Idee dahinter: Ganz rein vor Gott zu treten. Ohne jede Last, ohne irgendetwas, was bedrückt und bedrängt. Und auch um den Alltag abzuwaschen. Um frei zu sein für die Welt des Göttlichen.

Morgens, wenn ich mich wasche, tue ich etwas ganz ähnliches. Ich lasse unter der Dusche oder auch am Waschbecken, die Welt der Nacht hinter mir. Und stelle mich neu dem Alltag, der Welt, in der ich wach bin. Und wach sein muss.

Wasser steht für Leben. Ohne Wasser wäre alles dürr und trocken. Mit Wasser aber kann Leben blühen und wachsen. Das spüre ich unter der Dusche, wenn ich so richtig wach werde. Aber das spüre ich auch mitten am Tag. Durch einen freundlichen Blick. Wenn mir jemand seine Hilfe anbietet. Durch ein Lob. Ein Kompliment. Ein Schulterklopfen. Das belebt mich – wie frisches Wasser. Daran erinnere ich mich, wenn ich morgens unter der Dusche stehe. Und nehme es mit in den Tag. Um mein Tag und den Tag anderer Menschen um mich herum menschlicher und damit göttlicher zu machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23228
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