Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Gehaichnis“ – vielleicht kennen Sie dieses Wort. Es ist so hunsrückerisch wie kaum eines sonst. Ich kenne kein Wort, mit dem ich exakt wiedergeben könnte, was damit gemeint ist. Man muss erleben, was ein Gehaichnis ist, muss es erfühlen und es mit eigenem Leben füllen.
Und zudem: Ein Gehaichnis, das ist für jeden ein bisschen was anderes.

Die Hunsrücker Mundartdichterin Elfriede Karsch drückt das so aus.
E Gehaichnis das sinn groe, schoofwollene Socke,
is Schweinebrieh mit Wasserweckbrocke.
E Gehaichnis is de Geruch vunn gereicherter Worschd,
is vum Brot ous’m Backes e Stick vunn der Korschd […]
E Gehaichnis dat is e Gesiecht voller Falte,
is „Ge’naacht mei Maad“ unn e Rood vunn de Alte.
E Gehaichnis hält warem unn mollisch, micht satt,
unn dat gitt’s nor dehääm in de Sprooch – Deinem Platt.

Ein Gehaichnis kann also vieles sein. Allen gemeinsam ist: Dass es mein Leben voll und reich macht, dass es warm und liebenswert macht…

Mein Gehaichnis ist eine Eichelhäherfeder aus meinen Kindheitstagen. Mein Gehaichnis, das sind ein paar Steine, die mich daran erinnern, wo ich überall schon mal war: Als Jugendlicher damals, in Schottland. Auf einer Hochebene habe diesen kleinen Stein gefunden, mit seinen Maserungen, seiner wunderschönen, grau-blauen Farbe… sozusagen Inbegriff jener Landschaft, die mich damals so begeistert und berührt hat. Schöpfung.
Oder jenes Stück Schwemmholz von der Atlantikküste: seltsam gebogen, ausgewaschen, ausgebleicht…

Wenn ich so meine Hände durch mein Gehaichnis gleiten lasse, spüre ich meine Erinnerung: Wie ich staune über die Welt, wie ich gehofft habe als junger Bub, was ich alles mal schaffe...und natürlich auch, wie enttäuscht ich war, als das nicht geklappt hat.

Und immer war da etwas, das mir über die Enttäuschungen und Tiefen hinweggeholfen hat. Wunderbar irgendwie. Eben „Gehaichnis“.

In der Bibel habe ich einen Satz gefunden, der dem am nächsten kommt. Der Apostel Paulus hat ihn nach vielen Hochs und Tiefs in seinem Leben geschrieben: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“

Es ist schon ein Gehaichnis, wenn Menschen trotz schwerer Zeiten das Staunen und Hoffen nicht verlieren. Wenn sie irgendwie zum Leben zurückfinden, und ihre Erfahrungen wie kleine Schätze sehen können, die sie gesammelt haben.

Der milde Blick zurück und der getroste Blick nach vorne. Nicht ohne Sorgen und auch Angst manchmal…, aber dennoch getragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2321
weiterlesen...