SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Nun ist es wieder Advent geworden. Und wie in jedem Jahr höre ich die Leute sagen: „…mir ist überhaupt noch nicht danach“ – und „ich kann noch gar nicht an Weihnachten denken“. Mir geht es auch regelmäßig so.

Aber es kommt dann doch, dieses weihnachtliche Gefühl, das mich „ein bisschen weicher werden lässt, träumerischer und nachdenklicher“. So hat es der Schriftsteller Kurt Tucholsky beschrieben. Bei den meisten Menschen ist es so -und das Gefühl wird immer stärker –  je näher der 24. Dezember rückt.
Wie kann das sein, hat sich Kurt Tucholsky gefragt, dass der Kalender unsere Empfindungen regelt? Dass er unsere Gefühle quasi „kommandiert“? Und er kommt zum Schluss, es muss daran liegen, dass die Menschen das ganze Jahr über sparsam mit ihren Gefühlen umgehen, sie ansammeln Tag für Tag und Woche für Woche bis sich dann auf Weihnachten hin so viele angesammelt haben, dass es sich lohnt sie herauszulassen. Typisch Tucholsky, dieser Scharfsinn! Und ich finde, er hat zumindest damit recht, dass sie an bestimmten Tagen zu spüren sind, diese besonderen Empfindungen, nicht nur am Weihnachtsfest,( auch wenn Geburtstage, Hochzeitstage usw. anstehen.) Dann denke ich besonders liebevoll an einen Menschen, beschenke ihn, nehme mir Zeit für ihn und denke an gemeinsam verbrachte Tage. Ich finde das gar nicht schlimm, wenn mich manchmal erst der Blick auf ein Kalenderblatt dazu bringt ganz besondere Gefühle zu haben. Ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben. „Denn“, so meint Kurt Tucholsky, „wichtig ist, dass man überhaupt Gefühle hat“.

An Weihnachen zeigen sie sich ganz besonders. Selbst wenn mir die großen Gefühle in der Öffentlichkeit schon ein bisschen erzwungen oder klischeehaft erscheinen, in Fernsehsendungen zum Beispiel. Und es auch sehr viel um Äußerlichkeiten geht: Die unzähligen Weihnachtsartikel und Geschenke in den Geschäften...Für viele Menschen sind sie wichtig. Und sie unterstützen immerhin die echten weihnachtlichen Gefühle in den Herzen der Menschen.
Die gibt es! Sie machen nachdenklicher, aufmerksamer für die Not anderer. Sie lassen die Menschen in diesen Tagen hilfsbereiter, großzügiger sein. Sich einander liebevoller zuwenden. Und sie lassen mich erkennen, wie gut es mir doch selbst geht. Wie dankbar ich sein kann.
Und nicht zuletzt werden die Menschen „träumerischer“ wie Tucholsky meint: Zu Hause soll alles ein bisschen schöner sein als sonst. Es soll eine gute Stimmung sein, ein gutes Miteinander.
Und das nicht nur in der Familie. - Der größte Weihnachtstraum ist der vom Frieden für alle Menschen…

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