SWR2 Wort zum Tag

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Andreas Knapp ist Ordensmann. Aber er wohnt nicht im Kloster und hat auch kein Mönchsgewand an. Er trägt normale Kleidung und wohnt zusammen mit vier Mitbrüdern in einer Plattenbausiedlung in Leipzig. Meist arbeitet Bruder Andreas bei Versandunternehmen. Am Fließband knüllt er Papier in Pakete oder prüft ob der Deckel richtig schließt. 

Bruder Andreas lebt nicht aus Not oder Verlegenheit hier, sondern aus purer Absicht. Die Ordensgemeinschaft heißt „Kleine Brüder vom Evangelium“ und lebt und arbeitet ganz bewusst mit den einfachen Menschen. 

Ihre Spiritualität orientiert sich an Charles de Foucauld, der heute vor 100 Jahren gestorben ist. Charles de Foucauld hatte ein bewegtes Leben: Er ist bei seinem Großvater in Straßburg aufgewachsen. Mit 20 ist er Leutnant der Kavallerie. In Paris umgibt er sich mit jungen Frauen und feiert Nächte durch. Doch er bleibt ein Suchender. 1883 reist er heimlich nach Marokko. Später erzählt Foucauld, dass diese Reise sein Leben verändert habe. Er sagt: „Die Gläubigen zu sehen, die zum Gebet mitten auf der Straße liegen – das lässt mich ahnen, dass es etwas Größeres gibt als unsere weltlichen Geschäfte.“ 

Foucauld sucht einen möglichst strengen Orden, um sich auf die Suche nach Gott zu begeben. Doch keiner ist ihm konsequent genug. Er studiert Theologie, und er träumt davon, von einfacher Arbeit in den Vorstädten zu leben – dort wo die Armen wohnen. Nach weiteren Stationen landet er im Hoggar-Gebirge in der Sahara. Er baut aus Lehmziegeln eine Einsiedelei mit Kapelle und widmet sich ganz den Wüstennomaden, den Tuareg. Charles de Foucauld ist fasziniert von ihren Gewändern, von ihren Sitten, von ihrer Art zu Leben. Er sagt: „Nur Christus fehlt ihnen.“ Doch er möchte sie nicht bekehren, sondern einfach solidarisch unter ihnen leben. Er sagt: „Ich möchte menschlich sein, barmherzig und immer fröhlich. Wenn man mich sieht muss man sich sagen: Weil dieser Mensch so gut ist, muss auch seine Religion gut sein.“ 

Das klingt wie ein Leitsatz der „Kleinen Brüder vom Evangelium“ in Leipzig. Dort kennen nur wenige Menschen die Botschaft Jesu. Und dennoch predigt oder bekehrt Bruder Andreas nicht, sondern er ist einfach da. Er sagt das, was Charles de Foucauld vor über 100 Jahren gesagt hat, in eigenen Worten und erklärt: „Wir suchen die Nähe zu den Menschen, die nicht im Mittelpunkt stehen. Die Botschaft Jesu heißt ja: Gott ist im Alltäglichen da, im ganz gewöhnlichen Leben.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23206
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