Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Lasst den Mörder meines Mannes nicht frei!“ sagte vor kurzem die Witwe des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Heute vor 30 Jahren wurde er tot aufgefunden im Kofferraum eines Autos. Verschleppt, gequält, gedemütigt starb er, die Bundesregierung ist auf die Forderungen seiner Entführer nicht eingegangen.
Es war eine demütigende Zeit – auch für die damalige Regierung in Bonn. Deutschland, der Staat, ist unbeugsam geblieben, doch das hat Menschenleben gekostet. Enttäuscht und verbittert verlässt die Witwe Schleyers Deutschland. Und sie sagt: Lasst den Mörder meines Mannes nicht frei!
Aus dem Blickwinkel eines Menschen, dessen Leben zerstört worden ist, ist der Gedanke an Gnade kaum erträglich. Zorn, Wut, ohnmächtiger Hass. Es gibt Menschen, den können wir und den wollen wir niemals mehr vergeben, das ist sogar manchmal bei unserem Nachbarn so. Und dennoch sagt Jesus in der Bibel: Ihr sollt verzeihen! 7 Mal 70 mal sollt ihr verzeihen, sagt er, also: Immer wieder. Auch wenn ihr enttäuscht worden seid.
Wie können wir also einem begegnen, der uns das Leben schwer gemacht hat? Könnten wir ihm eine Chance geben? Könnten wir verzichten auf Rache und Genugtuung?
Im Fall der ehemaligen Mitglieder der RAF bedeutet ein Nein auf diese Frage doch, dass sie für immer von einem halbwegs normalen Leben ausgeschlossen werden. Damit aber machen wir uns zum Richter über deren Lebensrecht.
Die Bundesrepublik Deutschland ist in ihrem Kern immer noch ein christlicher Staat. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“, so lauten die ersten Worte dieses Gesetzes. Und allein Gott, der die Menschen geschaffen und durch Jesus Christus befreit hat, allein Gott kann letzter Richter sein.
Für uns bedeutet das: eine Begnadigung muss immer möglich sein. Denn nicht wir sind die letzten Richter. Der letzte Richter, das ist allein Gott.
Und dieser Gott vergibt uns, immer wieder - die kleinen und die großen Irrtümer und Fehler. Wer das weiß und erfährt, wer sich das bewusst macht, kann andere nicht ausschließen vom Leben.
Weil ich das weiß – und sogar manchmal selber erfahren habe - drum kann ich seine Gnade weiter geben. Damit ich und andere wieder neu anfangen können.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2320
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