SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manchmal ist es gut, spontan zu handeln. Ich laufe beim Joggen an einem Haus vorbei. Ein Gedanke blitzt auf: Hier solltest Du mal kurz läuten und fragen, wie es geht. Das war nicht geplant. Aber als mir die Tür geöffnet wurde, wusste ich sofort: Es war das einzig Richtige. Ich wurde erwartet. Ich wurde gebraucht.

„Bekehrung zur Spontaneität“, nennt es der Ordensmann Heinrich Spaemann. Er meint damit: Achthaben auf Eingebungen, die nicht von äußeren Reizen gesteuert werden. Es geht also nicht um den Spontankauf eines schönen Gegenstandes, der mir ins Auge sticht (Spaemann: negative Spontaneität). Sondern dass ich offen werde, um eine Situation intuitiv zu erfassen, dass ich es wage, spontan etwas zu tun, was auch „daneben“ sein könnte. Da wird mir etwas nahegelegt, und ich ergreife die Gelegenheit, in der etwas Gutes geschehen, in der anderen und mir selbst geholfen werden kann. Mit Andreas Gryphius: „Der Augenblick ist mein, und den nehm ich in acht. So ist DER mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“

Viel zu oft versäume ich diesen Augenblick, achte nicht auf die Gelegenheit, warte viel zu lange. Am Morgen könnte man endlich den versöhnenden Anruf tätigen, oder den Brief schreiben, der so lange fällig war. Am Abend ist die Schuld des anderen in den Himmel gewachsen, und so reicht es nur noch für eine böse E-Mail, die man bald bereut. So viele versäumte Gelegenheiten, und die Erfahrung zeigt: Es wird mit der Zeit nicht leichter, das Richtige zu tun, sondern unmöglich. Es ist bitter, ein „zu spät“ zu erleben, vielleicht weil der Mensch gestorben ist, den ich mit kleinstem Aufwand hätte glücklich machen können.

Und doch glaube ich: Gott hält weitere Gelegenheiten bereit. Es gibt Menschen, die tausendmal zögern und dann doch den entscheidenden Augenblick ergreifen. Sie folgen diesem Impuls, sie tun das Unerwartete, spontan und ohne langes Überlegen. Wie Zachäus, von dem die Bibel erzählt. Beladen mit Schuld, stieg er vom Baum herunter, als er Jesus sah. „Blitzschnell“ tat er es, ohne zu zögern. Das war die Chance seines Lebens, und er nutzte sie und machte den Schaden gut, den er angerichtet hatte.

So möchte ich leben. Und dazu möchte ich ermutigen. Denken und planen und zögern, wo es sinnvoll erscheint. Aber zugleich auf den Augenblick achten, in dem das Göttliche aufblitzt. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, dort, wo Gott mich haben will: Das macht glücklich und dankbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23173
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