SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Manchmal liebe ich im Voraus. Wenn mein Sohn sagt, dass er mir etwas zeigen will, was er gebaut hat, kann das noch so seltsam aussehen, ich finde es einfach klasse. Und wenn meine Tochter ein Flötenkonzert hat, dann finde ich das super, egal, wie viele schiefe Töne drin sind.

Was mit den eigenen Kindern total normal ist, kommt manchmal mit Fremden vor. Dann lieben Menschen ausgerechnet denjenigen, der alles verloren hat. Er oder sie wird zum tragischen Helden. So eine geliebte Loserin war Florence Foster Jenkins.

Jenkis galt als die schlechteste Opernsängerin der Welt. Sie ist aber trotzdem mit ihren Liederabenden aufgetreten. Sie war chronisch krank und konnte wohl deshalb weder Melodie noch Rhythmus halten. Einmal trat sie in der Carnegie-Hall in New York auf. Das Konzert war ausverkauft, wohl auch deshalb, weil viele Florence Foster Jenkins so skurril und lächerlich fanden.

Sie war eine Loserin, und trotzdem – oder wahrscheinlich deshalb, kommt heute ein Film über sie in die Kinos. Wir scheinen tragische Helden zu lieben.

Viele haben über sie gelacht, aber es gab auch viele, die sie für ihren Mut und ihre Unbeirrbarkeit bewundert haben. Und es soll einige gegeben haben, die haben sie einfach im Voraus geliebt. Schiefe Töne hin, rumpelnder Rhythmus her.

Dieses Lieben im Voraus entdecke ich bei Jesus auch. Zum Beispiel bei seinen Jünger Petrus. Jesus macht ihn zum Oberjünger und das obwohl er weiß, dass Petrus in der entscheidenden Stunde versagen wird.  Er liebt im Voraus. Damit Petrus in Jesu Liebe hineinfallen kann, wenn er wieder scheitert. Oder keinen Ton trifft. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23145
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