SWR2 Wort zum Tag

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In Südafrika gibt es diesen Witz: Ein weißer Junge kommt von der Schule nach Hause und erzählt seiner Mutter begeistert von seinem neuen Freund. „Ist er weiß oder schwarz?“, fragt die Mutter. „Das weiß ich nicht“, sagt der Junge, „da muss ich morgen erst nachschauen.“ Kardinal Alfred Napier, der Bischof der Erzdiözese Durban, hat  das unserer kleinen Reisegruppe erzählt, die ihn vor kurzem besucht hat. 

Eine lustige Geschichte. Aber ihr Hintergrund ist ernst. Der Kardinal, selbst ein Schwarzer, sagt, fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheit sei es immer noch nicht geglückt, dass Weiße, Schwarze und so genannte Coloured People, Farbige mit anderen ethnischen Wurzeln, einigermaßen gut miteinander leben. In der Gesellschaft nicht und leider auch nicht in der Kirche. Wir selbst erleben es auf dieser Reise hautnah: Die Menschen sind enttäuscht; sie waren sehr euphorisch, und jetzt ist nichts besser geworden.  Im Gegenteil. Die Leute werden immer ärmer. Das macht viele aggressiv und misstrauisch, und  so nehmen die sozialen Spannungen zu.  Die Schuld wird vor allem den Weißen zugeschoben, auch wenn die heute Verantwortlichen offensichtlich korrupt und politisch unfähig sind.  Aber auch innerhalb der schwarzen Bevölkerung gibt es viele Konflikte – nicht zuletzt, weil täglich tausende geflüchtete Menschen aus den afrikanischen Nachbarstaaten ins Land kommen. „Ich setze allerdings große Hoffnungen in die Kinder und Jugendlichen“, sagt Kardinal Napier. „Es ist heute selbstverständlich, dass sie gemeinsam die Schule besuchen und miteinander leben lernen.“ Irgendwann ist nicht mehr die Hautfarbe wichtig, sondern der Mensch. Daran glaubt er fest. 

Ich will die komplizierte Situation in Südafrika nicht einfach auf unser Land übertragen. Aber ich stelle mir vor: ein Junge in Deutschland kommt nach Hause und erzählt begeistert von seinem besten Freund, einem Flüchtlingskind aus Eritrea. Oder ein Mädchen bringt ihre muslimische Freundin nach Hause, die ihren Kopf mit einem Niqab verschleiert hat. In manchen  Familien mag das gut möglich sein. Aber selbstverständlich ist es nicht. Ich sehe vielmehr mit Sorge, dass viele sehr misstrauisch auf alles reagieren, was ihnen fremd vorkommt. Und dass sie Menschen ablehnen, die nicht in das Bild passen, das als „normal“ gilt. Und die Angst nimmt zu – viele Leute wissen dabei gar nicht, wovor sie Angst haben. 

Aber ich hoffe ebenso wie der Kardinal von Durban, dass irgendwann kommende Generationen diese Grenzen nicht mehr beachten. Dass Kinder von ihrem neuen Freund oder ihrer neuen Freundin zuhause erzählen und am nächsten Tag erst mal nachschauen und nachfragen müssen, ob diese weiß oder braun oder schwarz sind, Christen oder Juden oder Muslime, Einheimische oder Flüchtlinge … Nein, ich hoffe, dass dann solche Fragen unwichtig geworden sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23138
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