SWR2 Wort zum Tag

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Vor kurzem habe ich einen Gummistiefeltanz erlebt. Etwa 20 Jugendliche in Gummistiefeln haben einen furiosen Auftritt irgendwie zwischen Schuhplattler und Kriegstanz hingelegt und als Sänger stimmgewaltig selbst die Musik dazu erzeugt. Das war in Kliptown, einer Schwarzensiedlung zwischen dem Township Soweto und der Millionenmetropole Johannesburg in Südafrika. Der Gummistiefeltanz geht auf die schwarzen Arbeiter in den südafrikanischen Bergwerken zurück. Mit bestimmten Schlagabfolgen auf ihre Stiefelschäfte haben sie sich früher in den Stollen unter Tage Signale zugesandt. Heute ist daraus eine Tanztradition geworden, die mit viel Selbstbewusstsein präsentiert wird. 

Selbstbewusst haben wir die Menschen überhaupt erlebt, denen wir in Kliptown begegnet sind. Dort leben rund 50.000 Menschen in ärmlichsten Hütten. An 50 offenen Wasserstellen können sie sich mit frischem Wasser versorgen. Das Abwasser versickert auf engen, unbefestigten Wegen, die sich wie ein Labyrinth durch die Siedlung ziehen. Ärztliche Versorgung gibt es so gut wie nicht. Dass im Notfall ein Rettungswagen kommt, ist selten. Es ist ein Slum, obwohl die Bewohner dieses Wort nicht gern hören. „Slum“ klingt nach Hoffnungslosigkeit. Aber Kliptown ist trotz allem ein Ort der Hoffnung. 

Der Gummistiefeltanz wurde unserer kleinen Reisegruppe im Haus des „Kliptown-Jugendprogramms“ vorgeführt – „Kliptown Youth Program“, abgekürzt KYP. Seit 2007 organisieren junge Leute hier in einer ehemaligen Ordensschule eigenverantwortlich ein Selbsthilfeprojekt. Ihr Ziel: Die Kinder und Jugendlichen sollen  aus dem Teufelskreis der Armut herauskommen, erklärt Sipo, der 25-jährige Erziehungsmanager. Und das macht auch den Erwachsenen Hoffnung. 

KYP wird über Spenden finanziert. Zusammen mit 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten viele junge Ehrenamtliche das Angebot. 450 Kindergartenkinder und Schüler kann der Club aufnehmen. Zweimal am Tag bekommen sie eine warme Mahlzeit. Mit leerem Magen könne man nicht lernen, sagt Sipo. Besonders stolz sind die Verantwortlichen des KYP auf ihre Schule.  Fast alle schaffen hier erfolgreich den Abschluss, manche studieren heute sogar. Viele kommen später zurück und helfen den Jüngeren bei den Hausaufgaben, treiben Sport mit ihnen oder gestalten kulturelle Angebote. Dieses solidarische Netzwerk ist für KYP besonders wichtig. 

Mit dem Gummistiefeltanz sind die jungen Leute schon in den USA aufgetreten und haben stürmische Erfolge gefeiert. Auch einen Innovationspreis der Vereinten Nationen haben sie erhalten. Von den 50.000 Dollar Preisgeld konnten eine Lehrküche und ein Computerraum finanziert werden. Mit anderen Spenden wurde eine Solaranlage errichtet, die die Clubgebäude und Teile der Siedlung mit Strom versorgt. 

KYP ist für mich ein Kürzel für die unternehmerische Phantasie und gelebte Verantwortung junger Menschen geworden. Ein Kürzel für Hoffnung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23136
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