Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Herr K. trifft nach langer Zeit einen alten Bekannten wieder. Der ruft aus: „Mensch, du hast dich ja überhaupt nicht verändert!“
Da erbleichte Herr K.

Soweit die Geschichte von Bert Brecht. Was mich daran besonders interessiert:
Warum erbleicht Herr K.?
Nach heutigen Maßstäben müsste er sich doch eigentlich riesig freuen!
Mensch, da sagt einer nach Jahren: „Du hast dich ja überhaupt nicht verändert!“ – Was will man mehr? Selbst teuerste Kosmetik und Schönheitschirurgie können so ein traumhaftes Ergebnis kaum vollbringen.

Also, warum in aller Welt erbleicht Herr K.?
Weil Herr K. offensichtlich einen riesigen Schrecken kriegt bei dem Gedanken, noch genau derselbe zu sein. Denn das hieße ja, er habe sich in all der Zeit kein bisschen weiter entwickelt.

Stellen wir uns das mal vor: da wären die Jahre spurlos an uns vorüber gegangen, weil nichts eingetreten ist in unserem Leben, das uns in irgendeiner Weise verändert hätte:
Keine freudigen Ereignisse, die uns strahlen lassen, keine Stolpersteine, an denen wir uns abmühen, und die uns die Anstrengung ins Gesicht schreiben, keine Abgründe und zerbrochene Träume, und dementsprechend nicht die kleinste Änderung der Haltung, die erkennen ließe, dass da jemand gereift ist in seiner Persönlichkeit… -
Der - oder die - selbe bleiben heißt: Stillstand.
Und Stillstand ist das Gegenteil von Leben.

„Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde“, sagte Gottes zu den ersten Menschen.
Das ist der Auftrag: Wir sollen uns mit ganzem Herzen auf das Leben einlassen, mit Haut und Haar. Dafür haben wir seinen Segen. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott bei uns ist.
Wir haben es nicht nötig, still zu stehen aus Angst vor schmerzhaften Veränderungen.
Deshalb finde ich es gut, von Zeit zu Zeit zu fragen:

Lebst Du schon oder bist Du nur da? https://www.kirche-im-swr.de/?m=2312
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