Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Romantisch war sein Leben ganz bestimmt nicht: als Jugendlicher gegen den eigenen Willen Soldat zu werden und dann 25 Jahre lang bleiben zu müssen – das stelle ich mir nicht romantisch, sondern sehr hart vor. Und hart war es ganz bestimmt. Die meisten Menschen kennen den Heiligen Martin von Tours als römischen Reitersoldaten, der vom Pferd herunter einem Frierenden seinen halben Mantel schenkt. So wird sein Namenstag heute an vielen Orten gefeiert. Die Mantelteilung ist eine romantische Legende über den Heiligen Martin. Tatsächlich weiß man von ihm, dass er wirklich ein großes Herz für die Armen hatte.

Schade, dass andere Seiten seines Lebens weniger bekannt sind. Sein Mut zum Beispiel. Und seine Weltläufigkeit. Sein Organisationsgeschick. Martin von Tours war ein hoch-interessanter Mensch: Geboren in Ungarn, aufgewachsen in Italien, in Frankreich getauft, nach Stationen im heutigen Europa, auch in Deutschland schließlich gestorben in Frankreich im hohen Alter von 81 Jahren. Er war Soldat, Christ, Priester und Mönch, auch Bischof. Er war nicht nur Seelsorger, sondern auch Organisator. Als ehemaliger Soldat verstand er viel von Gruppen und ihrer Dynamik und hat in den jungen christlichen Gemeinden Organisationsstrukturen entwickelt – heute würde man sagen, er hat die Christengemeinden vernetzt und für Leitungskräfte gesorgt. Vor allem aber scheint er seinen eigenen Kopf gehabt zu haben. Und den hat er kräftig eingesetzt. In Berichten und Briefen wird er beschrieben als ein unerschrockener Mensch, der die christlichen Werte sehr ernst nimmt und keine Kompromisse macht. Halbheiten sind seine Sache nicht. Das fängt schon damit an, dass er den Soldatendienst aufgibt, immerhin sein sicherer Lebensunterhalt; aber er kann nicht länger Soldat sein, weil Christ sein und Soldat – das geht für ihn nicht zusammen. Er will als Christ keine blutigen Feldzüge gegen die Germanen mehr machen. Später als Mönch lebt er ganz arm und asketisch, damit nichts ihn vom Glauben ablenkt.  Nichts soll sich dazwischenschieben, vor allem kein Besitz, um den man sich ja kümmern müsste. Die Liebe zu Gott und zu den Menschen bleibt ihm zeitlebens immer das Wichtigste. Und deshalb nimmt er wohl auch kein Blatt vor den Mund, wenn jemand unrecht behandelt wird. Da muss sich sogar der damalige Kaiser einiges anhören. Und – erstaunlich genug -  der lässt sich das gefallen!  Ich kann mir das nur so erklären: Selbst der Kaiser spürte, dass in diesem Martin von Tours eine besondere Kraft am Werk ist. Es ist Gottes Kraft, der Heilige Geist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23097
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