SWR2 Wort zum Tag

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Wie kann man heute – am 9. November 2016  - der Untaten von vor 78 Jahren gedenken? Da in der Nacht vom 9. auf den 10. November in unserem Land jüdische Gotteshäuser zerstört und niedergebrannt wurden? Keine Frage: Zum Gedenken gehört, dass diese Gräueltaten erwähnt – Täter und Opfer benannt werden.  Doch: Für mich gehört noch etwas anderes dazu: ein bewusstes Lernen aus den Quellen jüdischer Religion.

Mich animiert dazu immer wieder eine intime Notiz eines jungen Mannes, 31 Jahre alt. Sein Name: Blaise Pascal. Der kritzelte auf einen Zettel seine Gottesbegegnung: »Montag, den 23. November, ...  Seit ungefähr abends zehneinhalb bis ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht - Feuer - "Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs", nicht der Philosophen und Gelehrten. - Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude, Friede. - Gott Jesu Christi ... Dein Gott, wird mein Gott sein. Ruth ... « Diese Sätze fand man nach seinem Tod – auf jenem Zettel – eingenäht in seinen Mantel. Den hatte er so immer bei sich - als dauerhafte Erinnerung: Vergiss nicht! Man nennt ihn heute auch sein „Memorial“ – seinen Denkzettel. 

Für mich sind Blaise Pascals Worte ein Wegweiser für mein Gedenken heute. Vergiss niemals – der Gott der Juden und der Christen ist ein und derselbe.

"Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs", – Gott Jesu Christi ...“ 

Und wenn Pascal aus der Bibel Ruth erwähnt - jene junge, verwitwete Ausländerin - die zu ihrer jüdischen Schwiegermutter sagt: "Dein Gott wird mein Gott sein" – dann ist ich das für mich ein Auftrag: Zum Gedenken gehört ein Vertiefen in den Geist der hebräischen Bibel.

Nationalsozialisten haben unzählige Synagogen zerstört, Torarollen, Leuchter, Gebetbücher. Ihr Verwüsten und Zerstören richtete sich bewusst gegen den Geist des Gottes der Bibel.

Für mich ist die NS-Weltanschauung so etwas wie eine politische-säkulare Religion. Sie leugnet, dass  alle  Menschen Ebenbilder Gottes sind.

In ihrem Kern geht es um Neid, Hass und Missgunst gegen Andere. Es geht darum, die „Eigenen“ zu verherrlichen: „Wir sind die Guten und Starken!“

Die Anderen werden verabscheut, herabgesetzt, als minderwertig betrachtet.
Wo dieser Geist heute wieder aufbricht, möchte ich dem mehr als nur ein bloßes Nein, mehr als ein „Wie schrecklich!“ entgegensetzen.

Ich finde, es braucht ein Gegenbild. Eine andere geistige Quelle. Ich brauche dafür ein Vertiefen in den so anderen Geist der Bibel: Damit  Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit – diese Menschenrechte – leuchten können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23088
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