Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Abgeschrieben“ kommen sich so manche in unserer Gesellschaft vor. Langzeitarbeitslose, die im Arbeitsleben nicht mehr erwünscht sind. Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen. Alte Menschen, die einsam sind. Sie kommen sich „abgeschrieben“ vor: Keiner rechnet mehr mit ihnen, von ihnen wird nichts mehr erwartet, man hat sie aufgegeben. Für den Selbstwert und die Lebensperspektive dieser Menschen ist es bitter, wenn sie in dieser Weise abgeschrieben werden.
„Abgeschrieben“. Ein Ausdruck aus der Wirtschaft. Dort handelt es sich bei Abschreibung um einen ganz normalen Vorgang. Wenn etwas keinen Wert mehr hat – wird es abgeschrieben. So wurden in den USA gerade Tausende von faulen Immobilien-Krediten abgeschrieben – weil da nichts mehr zu holen war.
Wer Menschen abschreibt, behandelt sie also wie faule Kredite. Das scheint in der Logik unserer Welt auch normal zu sein.
Die Logik Gottes ist da ganz anders. Jesus stellt einmal seinen Zuhörern die Frage: „Wenn einer von euch 100 Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die 99 in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?“ Wer kühl rechnet, der sagt jetzt wahrscheinlich: „Ich bin doch nicht verrückt! Die 99 habe ich sicher, eins mehr oder weniger – darauf kommt es nicht an; das eine wird halt abgeschrieben.“ Aber in der Geschichte Jesu läuft der Hirt dem einen Schaf nach, bis er es findet. Er nimmt es auf die Schultern und trägt es nach Hause. Dort ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen: „Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.“ So ist Gott, sagt Jesus mit der Geschichte: Jeder Einzelne ist ihm unendlich wichtig. Bei ihm gibt es das nicht, dass ein Mensch abgeschrieben wird. Im Gegenteil: Gerade die, die irgendwie „verloren gehen“, die durch die Maschen gefallen sind, die es schwer haben, die liegen Gott besonders am Herzen. Und Gott freut sich riesig, wenn er ihnen wieder neue Lebenschancen schenken kann.
Also kann ich darauf vertrauen, dass Gott mich unter keinen Umständen aufgibt. Ich kann darauf vertrauen, dass er mir regelrecht nachläuft, wenn ich ins Abseits geraten bin. Diese Gewissheit gibt mir einen ungeheuren inneren Halt, eine große Sicherheit.
Und sie öffnet mir zugleich die Augen für die Situation der Menschen, die in unserer Gesellschaft abgeschrieben sind.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2308
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