SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Als Schwabe sage ich „Grüß Gott“, wenn ich andere Leute begrüße. Deshalb ist es mir in anderen Regionen in Deutschland schon passiert, dass ich mit meinem Gruß belächelt werde. Klar, da wo man „Guten Tag“ oder nur „Moin“ sagt, klingt dieser Gruß vermutlich provinziell und ein bisschen naiv. Das macht mir aber nichts aus. Erstens bin ich stolz darauf, wo ich herkomme. Und zweitens ist mir wichtig, dass ich es nicht einfach gedankenlos daher sage, sondern wirklich meine, dass Gott mit dem anderen sein soll, dem ich begegne.

Wenn andere mich deswegen also belächelt haben, fand ich das eher übertrieben, fast schon zickig. Schließlich geht es doch letztlich darum, dass ich grüße und dass ich das ehrlich und freundlich mache.

Eine andere Dimension hat diese Frage für mich in der Diskussion bekommen, ob eine muslimische Frau mir zum Gruß die Hand geben muss. Neulich bin ich einer syrischen Familie begegnet. Ich wusste, dass sie im Krieg und auf der Flucht schon viel Schlimmes erlebt haben. Da wollte ich nicht gleich am Anfang des Gesprächs aufs Händeschütteln bestehen. Deshalb habe ich dem Vater und den Kindern die Hand gegeben. Die Mutter hat zur Begrüßung eine Geste gemacht, wie sie gegenüber Fremden üblich ist: Sie hat die rechte Hand aufs Herz gelegt, mich angelächelt, den Kopf geneigt und mit der Hand in meine Richtung gedeutet. Und das hat mich berührt. Ich habe gespürt, was ich gesehen habe: Ihr Gruß kommt von Herzen.

Bisher habe ich bei Begegnungen mit muslimischen Frauen selber oft so reagiert, wie viele Norddeutsche bei mir. Ich habe nämlich auch immer gemeint, dass diese Frauen sich überwinden und an unsere Gepflogenheiten anpassen sollen. Und mir die Hand geben. Schließlich sind sie hier Gäste oder sollen sich sogar in unsere Gesellschaft integrieren.

Aber es ist doch egal, ob jemand arabisch oder schwäbisch oder norddeutsch grüßt. Wenn ich’s bloß verstehe, was mein Gegenüber meint. Ich glaube, unsere Gesellschaft kann diese Vielfalt ertragen und ich will nicht wegen so einer Äußerlichkeit kleinlich sein. Es geht nicht ums Wie, sondern ums Was. Und wenn ich jemanden grüße, dann soll es ehrlich sein und von Herzen kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23075
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