Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Begabung zum Anfangen. Wenn man älter wird und so seine Bruchlandungen mit dem Anfangen hinter sich hat, dann ist die manchmal ganz schön verschüttet. Die Begabung zum Anfangen. Wie sehr die bei mir verschüttet war, hat mir mein einjähriger Enkelsohn gezeigt. Wenn er lacht oder Grimassen zieht, wenn er mit großen Augen über eine Blume staunt und sich wundert, dass die nicht schmeckt, wenn er zum hundertsten Mal hinfällt, weil der Kopf zu schwer ist fürs Gleichgewicht halten- ja, dann spüre ich sie wieder ganz deutlich.

Die Begabung, die Lust zum Anfangen. Neues ausprobieren, sich aus der Deckung wagen und sich einmischen. Das ist es, was uns alle auszeichnet, auch wenn wir älter sind. Das meinte auch die Friedenspreisträgerin Carolin Emcke in ihrer Rede. „Wir können hinausgehen und etwas unterbrechen. Wir können neu geboren werden, indem wir uns einschalten in die Welt. Etwas machen, anders machen.“

Mein Enkel steckt auch mich neu an mit dieser Fähigkeit. Weil er mich aus meiner Routine lockt, meine Aufmerksamkeit fordert, mich unterbricht. Eigentlich wollte ich den Zeitungsartikel zu Ende lesen. Aber er steckt mich an mit seinem Lachen. Er verführt mich dazu, meine Sorgen nicht so schwer zu nehmen und mich selber auch nicht so wichtig.

Aber ich frag hier mal doch: wo kommt sie her, diese Begabung zum Anfangen? Diese Lust am Neuen, diese Lebendigkeit? Ich glaube, sie kommt von dem einen großen Ja, das uns alle umgibt, auch wenn wir das manchmal nicht so gut spüren können. Mein Enkelsohn kann das wunderbar. Wenn er in seinem Wagen sitzt, eingehüllt in eine Jacke, eine Felldecke und in ganz viel Liebe. Umgeben von vielen Menschen, die ihn lieb haben.

Ich glaube: Wir haben nur eine Begabung zum Anfangen, wenn jemand was mit uns anfangen kann. Am Anfang stehen die Mutter, der Vater und hoffentlich auch die Großeltern dafür. Sie überbringen das große Ja, das Gott zu uns Menschen sagt. Zu jedem Einzelnen von uns. Das große Ja bevor wir auch nur einen Finger krumm gemacht haben. Bevor wir zeigen können, was in uns steckt, zu welcher Leistung wir imstande sind, sagt Gott Ja zu uns. Daran glaube ich.

Dieses Ja ist es, was uns begabt macht zum Anfangen, uns nicht im Scheitern und im Frust einzurichten, sondern es immer wieder versuchen zu wollen, es besser machen zu wollen. Ob im Bürojob, in der Schule oder als qualifizierte Babysitterin namens Großmutter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23037
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