SWR3 Gedanken

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Für mich war er perfekt. Till Brönner. Als Studentin in Berlin war ich ein totaler Fan von ihm. Ich hatte alle seine CDs, war auf Konzerten von ihm gewesen und fand: niemand spielt so schön Trompete wie er, keine Stimme ist sexyer und dann sieht er ja noch supergut aus. Jedenfalls ging ich eines Abends in den kleinen Supermarkt um die Ecke, nichtsahnend – und da sah ich IHN! Till Brönner! Als ich dann seinen Einkaufskorb gesehen habe, war ich ehrlich erleichtert: Käse und Wein. Ok, das passt. Nicht auszudenken, er hätte Klopapier und Feuchttücher eingekauft. Ein Star muss doch perfekt sein, oder?

Vor knapp 500 Jahren wollte Martin Luther die katholische Kirche reformieren. Am Ende gab’s eine neue Kirche: die evangelische. Damals war er für viele ein Star. Weil er ausgesprochen hat, was viele vor ihm schon gedacht, aber nicht gesagt haben. Luther war ein genialer Redner und Theologe. Nur leider perfekt war er nicht. Sein Antijudaismus lässt mich rot vor Scham werden, seine abschätzigen Bemerkungen über die Türken sind schrecklich… Geht das zusammen, ein Star – und so viele Macken? Können wir jemanden feiern, der Sachen gesagt hat, die heute nicht mehr akzeptabel sind? Müsste ein Star, den man verehrt nicht großartig und makellos sein?

Es ist spannend, dass Luther selbst gegenüber dieser Sehnsucht nach übermenschlichen Helden kritisch war. Luther sagt das so: alle Menschen sind immer beides, gerecht vor und geliebt von Gott, aber auch gleichzeitig Sünder, d.h. fehlerhaft und unvollkommen. Niemand tut immer nur das Richtige. Aber es ist auch nicht so, als wären wir nur die Summe unserer Fehler. Der Mensch bleibt immer auch ein geliebtes Kind Gottes. Ich finde das sehr realistisch:
Und dann darf Till Brönner auch gerne Klopapier kaufen gehen. Obwohl…

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