Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Beruflich zu den Orten der klassischen Antike nach Israel, Griechenland und Italien reisen?
Kreuz und quer auf dem Mittelmeer unterwegs sein?
Das klingt nach Manager, nach dem CEO eines wichtigen Unternehmens.

Und so ähnlich war es auch, damals vor 2000 Jahren: Vom Zeltmacher zum Manager – so könnte man die Aufstiegsgeschichte des Paulus nennen. Manager eines höchst fragilen Gebildes: des Christentums. Paulus ist unter den ersten Christen der vielleicht wichtigste Missionar. Aber bevor er das wird, ist er zunächst einmal Handwerker.

Die Arbeit eines Zeltmachers ist ein Knochenjob. Über seine Werkbank gebeugt, bearbeitet er mit wenigen Werkzeugen Leder, damit daraus ein Zelt wird. Dazu schneidet er Lederstücke zu, vernäht sie, arbeitet Ösen ein. Gut bezahlt ist die Arbeit nicht. Paulus sagt von sich, dass er manchmal Tag und Nacht arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Heute würde man das ein prekäres Arbeitsverhältnis nennen.

Aber nicht das war es, was Paulus veranlasst hat, auszubrechen. Es war sein Hunger nach Sinn. Die Arbeit hat ihn gut beschäftigt, aber ein erfülltes Leben, das hat sie ihm nicht gegeben.

Klar, mit irgendetwas musst du dir deine Brötchen verdienen. Aber geht es bei der Arbeit nicht um mehr als ums Geldverdienen? Gehört nicht auch die Arbeit dazu, wenn ich ein sinnvolles Leben suche?

Kein Wunder also, dass Paulus ganz genau hinhört, als Gott ihn beruft. Denn dieser Ruf Gottes  bedeutet: Gott gibt ihm eine neue Arbeit: er schickt ihn los, den Menschen rund ums Mittelmeer von Jesus zu erzählen. Das ist kein bloßer Zweitjob, kein Engagement nach Feierabend, sondern eine echte Berufung. Eine, die noch anstrengender und weniger lukrativ ist als die Arbeit des Zeltmachers. Aber sie macht Sinn. Deshalb prägt die Berufung des Paulus unsere Sprache seit zweitausend Jahren, denn diese Berufung macht aus der Arbeit einen Beruf. Beruf kommt von Berufung.

Ich finde: darunter sollten wir es auch heute nicht tun. Natürlich: Arbeit macht nicht immer Spaß, sie ist anstrengend, sie bringt Ärger und oft ist das Gehalt nicht angemessen. Schließlich steht schon in der Bibel: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. All das gibt es, all das gehört dazu. Aber entscheidend für das, was man beruflich tut, ist die Gewissheit: ich bin am richtigen Platz. Das hier ist meine Aufgabe. Oder anders gesagt: Gott hat mich hierher gestellt. Das ist meine Berufung – und deshalb ist es mein Beruf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23016
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