SWR2 Wort zum Tag

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Ich war in der Nähe von Paris zu einer deutsch-französischen Hochzeit eingeladen, und ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Kirche, die uns die örtliche katholische Kirchengemeinde für die Trauung zur Verfügung gestellt hatte. Da die Kirche in keinem schönen Zustand ist, sie wird auch nur noch alle zwei Monate für einen Gottesdienst genutzt, hatte der Ortspfarrer erst lange gezögert, und die Familie musste mit Engelszungen auf ihn einreden, bis er der Nutzung zustimmte.

Das Brautpaar mit Freunden und Familie musste erst stundenlang putzen, bis Boden, Altar und Stühle in einem Zustand waren, der für eine Hochzeit passend war. Glücklicherweise schien die Sonne strahlend und kein Wölkchen trübte den Himmel, denn zwischen Dach und Wand klaffte ein großes Loch in der Kirchendecke, durch das man tatsächlich den blauen Himmel sehen konnte. Bei Regen wäre das ziemlich ungemütlich gewesen, und ich war ganz froh, dass uns während des Gottesdienstes kein Ziegel auf den Kopf gefallen ist.

Kein Wunder, dass die kleine katholische Kirchengemeinde, die ganz auf sich gestellt ist, die Renovierung dieser Kirche nicht aus eigenen Mitteln schultern kann. Doch wie traurig ist das! Denn diese alte Kirche ist eine, wenn auch sehr heruntergekommene, doch immer noch beeindruckende Schönheit! Sie muss einmal eine Templerkirche gewesen sein, ich entdeckte das Templerkreuz - das heute die Malteser im Wappen haben - in die Säulen gemeißelt. Der Templerorden wurde Anfang des 14. Jahrhunderts verboten, die Kirche muss also vorher entstanden sein. Über die Jahrhunderte hat sie als Ort des Gebets gedient, nun, in einer säkularisierten Gesellschaft, droht ihr der Zerfall, ja die Zerstörung.

Ich glaube, dass auch Menschen, die nicht religiös sind, viel verlieren werden, wenn diese Kirche tatsächlich zerfällt. Einmal wird der Ort sein bauliches Zentrum und ein bedeutendes Baudenkmal verlieren, aber auch ein Stück Erinnerung wird verlorengehen! Mich hat die Kirche angeregt, wieder über die Templer nachzulesen und die bewegten Zeiten, in denen sie große Macht hatten. Es waren Zeiten, in denen Kirche und Staat eine durchaus problematische Verbindung eingingen. Gut, dass heute hier eine klare Trennung besteht. Doch gerade deshalb ist es heute auch eine Aufgabe des Staates, die Erinnerung der bedeutenden Bauten zu bewahren. Jedes dieser Bauwerke bewahrt die Geschichte und den Geist eines Volkes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23014
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