SWR2 Wort zum Tag

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Vor kurzem war ich auf einer Hochzeit in Frankreich geladen. Wir haben ein sehr fröhliches deutsch-französisches Fest in der Nähe von Paris gefeiert. Es gab einen lustigen Patzer der deutschen Pfarrerin zu Beginn des Gottesdienstes, den sie „au nom du père et de fille“ begann, aber wir haben es als feministische Variante begriffen, im Namen des Vaters und der Tochter einen Gottesdienst zu feiern und herzlich miteinander gelacht. Überhaupt: Alle gaben sich radebrechend und phantasievoll Mühe, sich zu verständigen, zur Not auf Englisch oder Russisch. Auf dem Rückweg sind wir in Verdun vorbeigekommen und haben die sehr informativ gestaltete neue Gedenkstätte besichtigt. Es ist erst hundert Jahre her, dass Deutsche und Franzosen hier eine Vernichtungsschlacht geführt haben, die weit mehr als 200 000 Soldaten das Leben kostete. Genau hundert Jahre vor unserem rauschenden Fest tobte eine furchtbare Schlacht, in dessen Folge ein Dorf, Fleury, vom Erdboden vertilgt wurde, der Umriss des Dorfs ist als Mahnmal erhalten. Erschüttert sind wir über das Gelände gelaufen, kaum vorstellbar, dass überall im Wald, der heute gewachsen ist, noch Tote liegen. Auf Luftaufnahmen kann man die Wunden erkennen, die die Granaten dauerhaft in die Landschaft geschlagen haben. Und die Wunden in den Herzen und Seelen der Menschen?

Die Pfarrerin sagte in ihrer Hochzeitspredigt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Deutsche und Franzosen ein so herzliches Fest miteinander feiern können, dass sich unsere Familien einmal bekämpft haben, nicht freiwillig, sie wurden dazu gezwungen, aber doch waren wir Feinde. Und heute sind wir eine Familie, obwohl wir aus verschiedenen Völkern stammen und verschiedene Sprachen sprechen. Wenn alles gut geht und so, wie es sich die deutsche Braut und ihr französischer Bräutigam wünschen, werden Kinder auf die Welt kommen, die sich sowohl in Deutschland als auch in Frankreich heimatlich fühlen und beide Sprachen als Muttersprache haben. So möge es sein und bleiben, hat die Pfarrerin gebetet, so friedlich im Miteinander. „Amen“ haben wir geantwortet, und ich hatte den Eindruck, dass das ein ganz inniges Amen war, im Wissen darum gebetet, dass Frieden alles andere als selbstverständlich ist. Nicht zuletzt haben wir an alle gedacht, die nach den Kriegen den Mut hatten, aufeinander zuzugehen und Versöhnung zu wagen. Gerade heute, wo so viele auf Europa schimpfen, möchte ich mich gerne und dankbar daran erinnern und dazu beitragen, diesen Frieden zu bewahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23013
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