Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wie weit reicht meine Solidarität? Ich bin solidarisch mit der Familie, mit Freunden und Kollegen. Aber auch mit Menschen in fernen Ländern, mit Flüchtlingen aus Afghanistan oder Syrien?

Am leichtesten fällt Solidarität mit Menschen, die mir ähnlich sind und zu einer überschaubaren Gruppe gehören. Wer mit allen und jedem solidarisch sein will, ist schnell überfordert. Er gefährdet seine eigene Existenz durch zu viel Solidarität, oder die Solidarität wird so dünn, dass sie nutzlos ist. Wissenschaftler nennen das „überdehnte Solidarität“ - wie ein überdehntes Gummiband, das zu reißen droht oder seine Spannung verliert.-

Die Bibel hat eine eigene Vorstellung von Solidarität:  Sie erzählt von Menschen, die über religiöse, nationale und Volksgrenzen hinweg Not Leidenden helfen. Nicht weil sie zur Familie oder zum Stamm gehören, sondern weil sie Menschen in Not sind. Die Bibel begründet das so: Gott hat sich selbst den Menschen gleich gemacht. In seinem Sohn Jesus Christus ist er Mensch und mit den Menschen solidarisch geworden, auch in schwierigen Situationen, selbst im Tod. Gott überwindet alle Unterschiede und vertraut alle Menschen einander als Gleiche an. Solidarität ist deshalb grenzenlos. Sie umfasst tatsächlich die ganze Menschheit.

Mit zwei Regeln schützt die Bibel zugleich vor Überforderung: Solidarität heißt nicht Selbstaufgabe. Johannes der Täufer wird gefragt: Was sollen wir angesichts des Himmelreiches tun? Er antwortet: Wer zwei Gewänder hat, gebe dem eins, der keins hat. Also nicht beide Gewänder hergeben, sondern Teilen. Das ist mehr als Almosen, aber es ist nicht Selbstaufgabe, sondern Teilen.
Und die zweite Regel: Angesichts des unendlich Vielen, das Solidarität herausfordert, kann das Naheliegende das Richtige sein. In der Erzählung vom barmherzigen Samariter tut ein Handelsreisender das, was notwendig ist: Er hilft einem Verletzten, der auf der Straße liegt. Solidarität - das kann konkrete Hilfe vor Ort ebenso sein wie das Unterzeichnen einer Internetpetition, kann eine großzügige Spende ebenso sein wie die Mitarbeit im Eine-Welt-Laden. Solidarität kann punktuell oder langfristig sein. Eben das, was nottut, nicht alles auf einmal. Solidarität fordert, aber sie überfordert nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23011
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